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The Byrds - Sweetheart of the Rodeo | Gram Parsons' International Submarine Band - Safe At Home

The Byrds - Sweetheart of the Rodeo (Columbia 1997, Original veröffentlicht am 30.8.1968) - CD
Was noch kaum jemand weiss, ist, dass ich ein ganz grosser Byrds-Fan bin. "Sweetheart of the Rodeo" ist aus ganz bestimmten Gründen das aussergewöhnlichste Album dieser Band.
Aber zunächst von vorne:
1964 gestartet, erweiterte sich das ursprüngliche Folk-Trio unter dem Einfluss der Beatles rasch mit einer Rhythmusgruppe und fing an eigene Songs zu komponieren (Besetzung: Roger McGuinn: Gesang, Gitarre, Gene Clark: Gesang, David Crosby: Gesang, Gitarre, Chris Hillman: Bass, Michael Clarke: Drums). Dennoch rekrutierten sie ihre ersten Hits aus den Federn anderer Künstler, kamen so aber bereits 1965 mit der ersten Single "Mr. Tambourine Man" zu Weltruhm.
Die Mischung aus Folk und Rock, Pop und Beat, McGuinns eigenartig klingende 12saitige Gitarre und der mehrstimmige Harmoniegesang waren in den USA damals völlig neu und schlugen sofort ein.
1966 folgte das ebenfalls sehr erfolgreiche Album "Turn Turn Turn". Danach wagten die Byrds zunehmend ihre eigenen Ideen zu verwirklichen und experimentellere Gefilde zu erkunden, wobei sie sich damit ganz vom Zeitgeist der 60er umfangen zeigten, der nach stetiger Veränderung dürstete.
Es folgten drei der einflussreichsten Rock-Alben der 60er Jahre: "Fifth Dimension", "Younger Than Yesterday" und "The Notorious Byrd Brothers". Waren die Instrumente bei den ersten beiden Platten ganz beatles-like nur begleitende Hintergrundgeräusche, so wurde nun auf Sounds wert gelegt, wurden ungewöhnliche Harmoniestrukturen erforscht, psychedelische Soundspielereien eingebaut und obwohl die Kompositionen grossartig harmonisch und abwechslungsreich blieben, liess der Erfolg stark nach.
Nachdem Gene Clark, dessen Songwriting vorallem der Frühphase der Byrds den Stempel aufgedrückt hatte, bereits nach "Fifth Dimension" gefeuert wurde, flog auch David Crosby inmitten der Aufnahmen zu "Notorious Byrd Brothers" 1967 (auf dem Coverfoto der Platte ist an Crosbys Stelle ein Pferd zu sehen!!!!), was den Weg für das hier besprochene Werk ebnete.
Als Michael Clarke kurz nach Veröffentlichung des Albums ebenfalls die Segel strich, standen Hillman und McGuinn nämlich plötzlich alleine da. Hillman, der mit seiner Bluegrass-Vergangenheit immer schon versucht hatte, den Byrds mehr Country-Einflüsse unterzujubeln, überzeugte McGuinn, seinen Cousin Kevin Kelley für die Drums und Gram Parsons für Gesang und Gitarre anzuheuern.
Parsons, der bereits mit der International Submarine Band die Verbindung aus Country und Rock auf dem Album "Safe At Home" begonnen hatte, brachte die Byrds nun zu einem noch durchgreifenderen Wandel und begann mit diesem kurzen Gastspiel (denn nicht lange nach Veröffentlichung der Platte stieg er wieder aus) seine Karriere zur Rock'n'Roll-Legende, die wenige Jahre später in einem brennenden Sarg in der Mojave-Wüste endete.
Eigentlich sind die drei psychedelischen Alben vor "Sweetheart" meine liebsten Byrds-Platten. Dass ich mir genau dieses Album für ein Review ausgesucht habe, liegt aber ebenso an der Partizipation von Parsons wie an dem selbst für damalige Verhältnisse radikalen Schnitt, den die Band, nachdem sie mit "Notorious Byrd Brothers" den Höhepunkt ihrer Soundspielereien erreicht hatten, vornahmen.
Nunmehr wurde die Welt mit einem einfachen, puristischen und zudem auch noch ernstgemeinten Country-Album schockiert (Hippies und Country, Leute, das muss sich damals etwa so angefühlt haben, als würden die Goldenen Zitronen 2005 ein ernsthaftes Volksmusikalbum herausbringen ... naja, wenigstens fast so), das, vom mehrstimmigen Gesang abgesehen, nichts mehr mit sämtlichen Vorgängerplatten zu tun hatte. Sogar McGuinns Trademark-Gitarre fehlte hier erstmals. Dafür wurde mit "You Ain't Going Nowhere" die Tradition der Dylans-Cover beibehalten und damit auch prompt wieder der dringend benötigte Hit gelandet.
Auf "Sweetheart of the Rodeo" befindet sich, neben einer Menge Coverversionen, kein einziger Song mehr aus der Schreibfeder der alten Byrds-Mitglieder, sehr wohl aber zwei mittlerweile klassische Parsons-Heuler, denn der Countryboy aus dem entfernten Süden hatte ein Herz für leidensschwere Balladen, die er auch mit vollster Inbrunst vortrug, leider, aus rechtlichen Gründen, aber nur auf zwei Songs dieser Platte. Darunter "Hickory Winds", den viele als Parsons schönsten Song überhaupt ansehen.
"Sweetheart" quillt über vor sentimentaler Cowboy-Romantik und Outlaw-Alcohol-Gun-Jail-Attitüde, wie sie Merle Haggard, der hier natürlich auch gecovert wird, kaum klassischer vor sich hertragen konnte. Ich möchte jetzt gar nicht auf die Songs im einzelnen eingehen, da dies auf dieser digital remasterten CD (ohgott, wann hört der Wahnsinn des digitalen Remasterns endlich auf und wir bekommen Musik wieder so zu hören, wie sie damals klang, nämlich mumpfig und trüb, ohne 10-fach-Dolby-Scheissmichvoll und sonstigen Dies-anheben-jenes-anheben Schnickschnacks, den kein Mensch braucht, der sich wirklich für den ursprünglichen Klang von Schallplatten interessiert) in dem sehr ausführlichen Booklet ohnehin getan wird. Ich möchte aber vorallem - und dies macht diese CD dann doch interessant - auf die Bonustracks hinweisen, die neben Outtakes der "Sweetheart"-Sessions auch unterschiedliche Versionen einiger verwendeter Songs anbietet, u.a. sogar mit dem originalen Gesang von Parsons, der für das reguläre Album dann durch McGuinns ersetzt wurde.
Kurz nach "Sweetheart of the Rodeo" zerfielen die Byrds erneut. Diesmal war sogar der letzte Ur-Byrd Chris Hillmann weg und nur Roger McGuinn blieb zurück, doch erneut schaffte er es wieder ein grossartiges Lineup aufzubauen, mit dem die Alben "Dr. Byrds and Mr. Hyde" (69), "Ballad Of Easy Rider" (69), (Untitled) (1970), Byrdmaniax (1971) und Farther Along (1971) eingespielt wurden. Über das verkorkste 73er Comeback in der Ursprungsbesetzung hüllen wir den Mantel des Schweigens. Weitere Comebackversuche in den Siebzigern und Neunzigern wirken ebenfalls eher verzweifelt. Spart Euch das. Wenn Ihr Byrds-Platten kaufen wollt, kauft einfach alles vor dem ersten Comeback-Album 1973.
(Ralf 31.5.05 mit ein paar kleineren Updates im letzten Absatz vom 3.1.09)

Gram Parsons' International Submarine Band - Safe At Home (Shiloh Records, Rerelease 19?, Original 1968) - CD
Über Gram Parsons gibt es sehr viel zu erzählen. So viel, dass ich hier wirklich nur das Wichtigste los werden möchte: Gram gilt als der Erfinder des Country-Rock und dieses Album wird gemeinhin als dessen Geburtsstunde betrachtet. Gram ist ein Cowboy aus Florida, gründete die ISB in New York und zog mit ihr nach Kalifornien um. Dort nahmen sie dieses Album auf, das damals wenig beachtet wurde, auch nachdem Gram bereits zum Zeitpunkt der Veröffentlichung gar nicht mehr in der Band war, sondern sich anschickte, mit den Byrds die grosse Bühne des Rock'n'Roll zu betreten und wenig später das legendäre Album "Sweetheart of the Rodeo" zu veröffentlichen. Doch auch bei den Byrds hielt es Parsons nicht lange aus. Nach nur einem halben Jahr verliess er die Band und gründete aus einem losen Musikerverbund namens The Flying Burrito Bros, der sich sein Geld mit Countrymusik landauf landab verdiente und bei denen unter anderen Barry Tashiban (ehemals The Remains) mitwirkte, die spätere, vermutlich einflussreichste Country-Rockband aller Zeiten gleichen Namens, mit der er die grosse Tat vollbrachte, den Hippies die damals völlig unhippe Countrymusik nahezubringen. Doch auch von den Flying Burrito Brothers wandte sich Parsons nach wenigen Jahren ab, veröffentlichte 1973 sein erstes Soloalbum und erlebte die Veröffentlichung des zweiten bereits nicht mehr. Gram starb im September 73 in einem Hotelzimmer des Clubs Joshua Tree Inn nach einer Überdosis Heroin, gerade mal 26 Jahre alt.
Ein paar Kumpels stahlen volltrunken in einer haarsträubenden Aktion seinen Sarg vom Flughafen, wo er zur Beerdigung nach Louisiana geflogen werden sollte. Da dies aber Grams Wunsch wiedersprach, in der Joshua Tree Wüste verbrannt zu werden, fuhren sie ihn dorthin, leerten Benzin in den Sarg und zündeten ihn an.
Gram gilt als wegweisend, was sein Einfluss auf nachvollgende Generationen der Rockmusik betrifft. Als schillernstes Beispiel seien nur die Rolling Stones hervorgehoben, mit denen er sich anfreundete und deren Countryphase nach "Exile on Mainstreet" angeblich stark von Gram beeinflusst war.
GP war ein Rockstar und lebte auch so. Dennoch trug er auf seinen Stimmbändern die Trauer von tausend Seelen und erleichterte damit die Seelen von tausenden Hippies. Seine Melodien gehen manchmal recht ausufernd eigenartige Wege und seine Stimme war leidend und zerbrechlich. Doch genau dieses Leid spiegelt sich in seinen schönsten Balladen wieder und keine Stimme könnte es passender intonieren. Dieser Mann lebte seine ängste und Depressionen in seinen Songs aus und war damit authentischer als jeder einzelne seiner Epigonen.
Auf "Safe At Home" ist er sicher noch nicht am Zenith seiner Schaffenskraft angekommen, doch als Frühwerk trägt auch diese Platte ganz klar seine Handschrift und ist für Fans eine wichtige Pflicht.
Gram Parsons war ein Rockstar, doch keiner weiss es und so wird er heute als Underground-Ikone gefeiert und das ist auch ok so.
(Ralf)


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