Platten 2004

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Ben Kweller - On My Way (1.4.2004) CD
Unrecherchiert, unfundiert, wie ich selten was geschrieben habe, einfach nur angehört, im Auto, bei Andrea, die ihn 2007 in London gesehen hat, und begeistert war, was ich jetzt auch bin, einfach nur nach einmaligem Hören, mir das Ding sofort geholt hab, sogar auf CD, weil auf LP nirgends zu finden, und wenn ICH was auf CD kaufe, dann muss das schon nen Grund haben.
Kwellers Zweite, nachdem er zwei Jahre lang auf Tour war. Die Grundspuren wurden live eingespielt, ohne Kopfhörer, die Band im Kreis sitzend. Kweller zeigte seinen Mitspielern die Songs Minuten bevor sie aufgenommen wurden. Das schuf eine wunderbare, minimale, unaufgeputzte Atmosphäre, die ganz viel des Charms dieser Platte ausmacht.
Eigentlich ist so ne Musik nicht unbedingt meine Teetasse, aber dies hier sprüht ... es sprüht vor Leichtigkeit, Traurigkeit, Heimweh, Fernweh, Leidenschaft, Coolness, Naivität und Tiefgang. Facettenreich ist es nicht, und oft sind die Phrasen in der Musikgeschichte geklaut, aber es sind Songs, die einfach bei dir bleiben. Du hälst sie fest, weil sie sind so süss zu dir, wie eine liebe Freundin, die dich nachmittags besucht, mit einem Blümchenkleid und einem alten schief sitzenden Hut, um Kaugummi aus dem Automaten mit dir zu kauen und französische Zigaretten zu rauchen.
Diese Songs lachen und weinen mit einem. Sie sind ergreifend einfach, emotional auf eine unschuldige Weise und ich habe mich eine ganze Woche lang ununterbrochenen Hörens gefragt, was der Grund ist, dass gerade DAS mir gefällt. Es hat mit der mir eigenen Verbindung mit Emotionalität zu tun. Ich weiss, dass ich eine Emotion aufbauen muss - nur dann kann ich Verbindung zu etwas oder jemandem bekommen. Doch wenn diese Emotionalität da ist, dann treibt sie mich und dann bleibt sie auch.
Ich habe einen Rezeptor für Schönes. Schönes, das auch hässlich sein kann. Der Bezug zu Schönheit, ganz nach meinen sehr persönlichen Vorlieben ist niemals steuerbar. Menschen, Kunst, Musik, Erinnerungen, Dinge, Gewohnheiten, Gefühle, Schrulligkeiten. Mit all ihren Grossartigkeiten, mit all ihren Fehlern. Und so habe ich dieses Album von Ben Kweller in mein Herz geschlossen und da wird es bleiben.
Und ich denke, man kann es am Besten am Titelsong festmachen, der mir auch beim ersten Hören bereits hängenblieb. Dieser Song hat eine derart wunderbar einfache aber ergreifende Art. Er ist nicht besonders, aber wie die Story voranschreitet, die Seiten wechselt, wie es zwischen lustig, kühn und ergreifend hinundherrauscht, wie einen berührende Leichtigkeit umflattert, da ernst, wo es eigentlich lustig ist und da trocken, wo es eigentlich tief und berührend ist - das hat schon seine ganz eigene Qualität und ist wohl das Geheimnis des Ben Kweller. Und es lässt dich einfach nicht los. Wieviele einfachen Songs hört man und hört man auch schnell zu Tode. Dies hier ist anders.
(Ralf, 8.3.13)

 

The Fall - The Real New Fall LP Formerly 'Country On The Click' (Narnack, 13 July 2004) - LP
Ich hab schon länger keine Fall-LP mehr gekauft. Offen gesagt war die letzte "The Frenz Experiment" und das war ... ohmeingott ... 1988. Damals haben sie auch live in der Röhre gespielt, für mich das einzige Mal The Fall live und diese Erinnerung werde ich in Ehren halten.
The Fall sind und bleiben DIE Indie-Band schlechthin und zwar im ursprünglichen Sinn des Begriffs. Mark E. Smith müsste man das später in den Grabstein meisseln. Der Begriff Independent wurde zu seiner Zeit erfunden und ich kenne keine Band, die ihn derart geprägt hat, keine Band, die so konsequent, seit bald 30 Jahren, ihren grundeigenen Weg geht und sich durch absolut nichts beeinflussen und durch nichts abbringen lässt, zu tun was ihnen beliebt. Das muss nicht immer jeder mögen, The Fall wären aber nicht The Fall wenn sie's nicht trotzdem tun würden.
Keine Band wurde sooft von ihren Nachfolgern zitiert. Keine Band sooft als Einfluss erwähnt. Smiths typisch nörgelig-cooler Gesang wurde wirklich myriadenweise imitiert und dann wurden die Imitationen wieder imitiert.
Nicht ohne Grund stand als Fazit unter einem Livebericht einer US-Show im Horizontal Action letztes Jahr, Mark E. Smith sei immer noch "Punk as Hell". Nun sind The Fall gewiss keine Punkband, dennoch hat dieser Spruch genauso viel Durchschlagskraft wie Berechtigung.
Ausserdem haben sie mir mit "Prole Art Threat" von der '81 erschienenen Mini-LP "Slates" einen verdammt heissen Alltime-Klassiker beschert. Nicht viele 2-Minuten-Songs haben mich derart aufgewühlt. Ein Song der bei mir unter den ewigen Top 5 thronen wird. Da kann nichts mehr kommen um den zu verdrängen.
Und The Fall 2004 arbeiten unbeeindruckt weiter an einem umwerfenden Gesamtwerk. Studio-Alben kommen mittlerweile nicht mehr in jährlichem Turnus heraus, dennoch ist The Real New Fall LP die Nr. 24 und zum Zeitpunkt meiner Review das vorletzte.
Zunächst hiess das Album "Country On The Click", doch da Auszüge davon noch vor der Veröffentlichung von mp3-Jägern im Internet angeboten wurden, ging Smith (und auch das ist INDIE aus dem Lehrbuch, meine Damen und Herren) mit seiner Gefolgschaft nochmals ins Studio, packte noch etwas Dreck drauf, mischte neu ab und titelte das Werk um in "The Real New Fall LP".
Diese erschien zunächst in England, meine Version mit anderem Cover ist die US-Pressung und hat ausserdem eine leicht veränderte Reihenfolge der Songs. Is aber wohl egal welche Version man hat.
Die Songs und der Sound sind superb. Nachdem die letzten Studio-Alben davor nicht so sehr die Sahne gewesen sein sollen, kann ich nur bestätigen, dass The Fall hier so ursprünglich, so fall-like klingen, wie man es sich nur wünschen kann. Ich bin wirklich völlig begeistert. Smiths (Sprech-) Gesang ist so genial wie eh und je und es mangelt keinesfalls an hochinteressanten kompositorischen Ideen.
The Fall scheinen noch lange nicht ausgelaugt. Diese Band ist weiterhin zu Höchstleitungen fähig!
(Ralf, 31.5.06)

Branded Women - Velvet Hours - Stolen Moments (Ranch, 04) - CD
Eine finnische Band mit vier Frauen und einem Schlagzeuger. Popmusik, immer unterkühlt, immer ruhig und langsam, atmosphärisch, sparsam mit echten Instrumenten gespielt, viel Orgel, etwas E-Piano, mal ein Vibraphone und eine meist recht zurückhaltende Gitarre, die sehr gerne den halligen Vibratoakkord stehen lässt und dabei eine kaurismäkische Road-Movie-Romantik herbeizaubert.
Die Stimme ist das herausragende Stilmittel und schwankt zwischen Kühle und zart melancholischer Süsse. Man merkt aber, dass hier positive Menschen am Werk sind, die Spass an der Sache haben, da es zu keinem Zeitpunkt wirklich bitter, böse oder verzweifelt wird.
Mir persönlich tut die CD nicht weh, nichts daran ist schlecht oder bemeckernswert, allerdings löst sie bei mir auch kein besonderes Gefallen aus. Lediglich im vorletzten Song entsteht eine schöne Intensität, die mich aufhorchen lässt. Mehr derartige Ausbrüche würden mir gefallen. Auch mehr Ecken und Kanten. Das zurückbleibende Gefühl erinnert mich eine wenig an die Ricochets. Ist das die neue skandinavische Pop-Ader?
(Ralf 18.10.05)
Mom's Day - Pogo im Weltsicherheitsrat (selbstproduziert, 2004) - CD
Mom's Day haben sich auch auf ihrer dritten Platte diese freundliche Unschuldigkeit bewahrt, eine Art, deren Verlogenheit bei so mancher Band heutzutage widerlichst zum Himmel schreit, doch bei Mom's Day funktioniert das einfach, denn sie sind wirklich so.
Das handwerkliche Element allerdings ist bei ihnen keinesfalls im Stadium der ersten Platte hängengeblieben. Auch von der zweiten bis hierher wurde fast ein Quantensprung geschafft. Es holpert nicht mehr, die Kompositionen sind spritzig und gewitzt und der Sound sehr voll.
Nun ist diese unkomplizierte Fröhlichkeit gepaart auch mit ein bisschen Nachdenklichkeit und etwas freundlich dargebotener Kritik, die Moms Day-Musik und -Texte so an sich haben, eigentlich nicht mein Ding, aber ich kann's nicht ändern, diese CD gefällt mir. Die tut sich einfach so antragen und es scheint fast, als müsse man sie mögen müssen.
Auch die deutsche Sprache steht ihnen sehr gut zu Gesicht. Sie gehen damit ganz locker um und schaffen es, die Phrasen wie aus dem ärmel geschüttelt, klingen zu lassen.
Das ist alles sehr einfangend und sympathisch, bleibt aber dadurch natürlich auch sehr unverfänglich und ... nett!
(Ralf, 17.3.05)
Nosee'ems - Rising ... Falling (selbstproduziert, 2004) - CD
Totgeborener Indie-Prog-Rock mit endlos verschachtelten Metalgitarren im Stile von Tool, einem leicht angestrengten Psychfaktor, immer wiederkehrenden schrägen Akkorden und einem farblosen Sänger ohne Wiedererkennungswert, dessen Melodien irgendwohin wandern, nur nicht in mein Blut.
Es ist wirklich verheerend, was Bands wie Tool angerichtet haben, indem sie mit ihrer emotional gestörten Kopfmusik Horden junger Musiker ins Unglück treiben. Den im Info angesprochenen Rock'n'Roll finde ich nirgends. Ich weiss nicht mal, wie ich den Namen der Tübinger Band wiedergeben soll.
Tut mir leid, aber für solcherlei Unfug sind wir bei Kickin' Ass nicht gebildet genug. Ich könnte bereits einen ganzen Laster mit CDs dieser Art vollschaufeln. Mal sind sie mehr Emo, mal mehr Indie, mal mehr Metal, oft genau in der Mitte drin. Aber gegeben hat mir noch keine etwas. Ich bin hierfür der völlig falsche Adressat.
Da es aber auf der höher gelegenen Alb ein paar Querköpfe geben soll, die Tool und so'n Zeugs anhören, möchte ich diesen Gesellen die Nosee'ems als interessante Variation empfehlen.
(Ralf, 17.3.05)
Italian Stallion - Demo (2004) - CDR
Old-School-Hardcore-Punk aus Wegberg bei Mönchengladbach, der mit herrlich schrottigem Sound, kurzen High-Speed-Songs (15 Songs in 13 Minuten) mit Stakkato-Gesang und einem netten Humor zu gefallen weiss, was nicht nur über die eingeworfenen Ausschnitte aus miesen 70er-Jahre Sleaze-Filmen, zum Totlachen anregt. Saubere Sache und schön, dass es noch Kids gibt, die diese Fahne hochhalten und das Erbe fortführen.
(Ralf)
Rockstar Pussy - Black Demon Girl (2004) - CD
Rockstar Pussy trumpfen auf ihrer dritten CD mit der bewährten Mischung aus Hardrock-Licks, 3-Chord-Punksmash-Parts, einer hämmernden Double-Bass und ner Menge Breaks und eingeschachtelter Parts auf. Der Jeans-und-Leder-mit-Öl-und-Schwitzflecken-Faktor ist nach wie vor bei 11 und wie immer leckt der Dreck aus den Boxen und verursacht eine angemessene Umweltverschmutzung in meinem Wohnzimmer. Insbesondere der Gesang und sogar die Snare schmotzen fies und machen somit (mir jedenfalls) am meisten Spass.
Textlich bedient man sich einerseits noch der Hell Hell Hell – 666 – Fire Fire Fire – Klischees, anderseits wird diesmal in zwei Songs auch deutlich politisch Stellung bezogen, auch wenn sich bei "I’d rather believe in (the) virginity … of a whore than I oppose (!!) to the promises … of a politician" offensichtlich ein kleiner Fehler eingeschlichen hat. Ist aber verzeihlich, denn jeder wird verstehen, was gemeint ist.
Dafür ist der Punk-Mitgröhler "That’s The Way It Is ..." im letzten Song "Election" für mich der schönste Moment auf der CD. Mir persönlich geht da das Herz auf, auch wenn sich dieser Refrain erst durch einige Minuten Pussysches Rockunterholz durcharbeiten muss.
Fazit: Rockstar Pussy stehen nachwievor für soliden Hardrock mit Punkattitude, nicht neu, nicht weltbewegend, aber gut gemacht und verlässlich!
(Ralf)
Dayforday/Jetsaidready - Split (2004) - CD
Dayforday, hierzulande bekannt für ihre langjährige Tätigkeit in Sachen Punkrock mit Ska-Einflüssen, haben letztere nun endgültig entsorgt und rocken sich in brachialere Gefilde vor, ohne jedoch ihre Eigenständigkeit auf's Spiel zu setzen, im Gegenteil. Die Riffs sind düsterer aber interessanter und einprägsamer geworden und der Sound dieser Aufnahmen klarer, besser und wuchtiger denn je. Man ist geneigt zu sagen, Dayforday seien nun erwachsen geworden, was ich aber als abfällige Bemerkung disqualifizieren würde. Die Band hat sich einfach weiterentwickelt und kommt nun auch meinem persönlichen Geschmack sehr entgegen, denn diese drei Songs, insbesondere "Stand Aside" und "Stawac" gefallen mir wirklich ausgezeichnet, was mir bei den bisherigen skalastigen Songs nicht so leicht von der Zunge ging.
Aus Fankreisen habe ich nicht nur positive Stimmen gehört, doch das liegt einfach an Deiner fehlenden Flexibilität, lieber Fan. Zum Glück haben Dayforday den Mut sich zu verändern, denn nur so entwickelt sich Musik weiter und nur so werden neue Ufer beschritten, die Dir, lieber Fan, nach der üblichen Anpassungsphase, umso besser gefallen wird, glaub mir. Mut zur Veränderung und der Wille, nicht stehenbleiben zu wollen, hat nicht nur die Musik in allen Zeiten (besonders den 60ern) auf neue Standards gehoben. Mit jeder Veränderung wird ein alter Fan auf der Strecke bleiben und drei neue gefunden.
Dayforday haben sich ihre Stilentwicklung hart erarbeitet und ihr Potential (auch spielerisch sind sie mittlerweile 100%ig sattelfest) hiermit deutlicher denn je unter Beweis gestellt. Hier tut sich was und das ist spannend!
Jetsaidready unterhalten danach mit drei Punkrocksongs mit leichter Stonerrock-Schlagseite, die live noch deutlicher zur Geltung kommt. Am ungewöhnlichsten klingt der Gesang. Die Melodien haben mir ein mehrmaliges Hören abverlangt, doch wem hat sowas bisher schonmal geschadet?
Die CD halte ich also insgesamt für sehr gelungen. Die beiden Bands sind unterschiedlich, bedienen aber die selbe Zielgruppe, womit für Abwechslung gesorgt ist und auch die kurze Spielzeit bietet keinerlei Angriffsfläche für Langeweile, auch wenn mir die Vorab-Demo-CD von Dayforday (mit denselben Titeln) wegen der kürzeren Pausen zwischen den Songs besser gefiel, denn das kompositorisch sehr coole Ende von "Stand Aside" hört sich fast wie eine Überleitung zu "Stawac" an, wenn die Pause so kurz ist, dass man zunächst nur an einen Break glaubt. Sauber!
(Ralf)
Die Soulpoints holen vorallem Dayforday raus, da doch mit deutlich mehr Emotion ausgestattet.
Jimmy Eat World - Futures (Geffen/Universal, 11.10.04)
Wir schreiben das Jahr 1996. Eine junge Band aus Arizona namens Jimmy Eat World bringt ihr zweites Album „Static Prevails“ heraus. Herrliche Melodien treffen auf wundervollen, zweistimmigen Gesang, hier und da geht es noch sehr ruppig zu, denn hier wird das Core in Emocore noch groß geschrieben, die Produktion tut ihr übriges. Es folgt das „Nevermind“ der Generation Emo: „Clarity“. Das Manifest schlechthin. Es ist ein Referenzwerk, was Harmonien und epische Ausmaße von wundervollen Popsongs angeht. Und das Werk, mit dem ich JEW kennen lerne. Und das hat Folgen. Sie sind es, die mich dazu bringen, mich mit alternativer Musik zu beschäftigen. Sie sind nicht mehr wegzudenken. Vor allem, als „Bleed American“ erscheint. Was mit „Static Prevails“ und „Clarity“ angefangen hat, gipfelt endgültig in diesem Meisterwerk, das ihnen auch den, wie man so schön sagt, kommerziellen Durchbruch beschert. Was sollte jetzt noch kommen?
Die Antwort darauf ist jetzt erschienen: „Futures“, das fünfte Album der Band. Und es setzt sich erwartungsgemäß zwischen alle bisherigen Alben. Der Opener/Titelsong versprüht im Refrain mächtig „Clarity“ – Atmosphäre, ebenso wie „Work“. „Kill“, das beste Stück der Platte, besticht durch das dermaßen eingespielte und charakteristische, zweistimmige Singen von Sänger Jim und Gitarrist Tom. „Polaris“ hätte auch auf „Bleed American“ drauf sein können. „Drugs or me“ ist die obligatorische Ballade in Plattenmitte und „Nothingwrong“ ist der böse Kracher, der sogar mal richtig geil gemacht ist. Die Single „Pain“ ist mir dann sogar etwas too much, was Durchschaubarkeit angeht und der Rausschmeißer „23“ knüpft dann in seinem Ausmaß an „Clarity“ Zeiten an.
Das Problem der Platte: Sie besitzt keine richtigen Höhepunkte. Auf den Vorgängerwerken befanden sich Songs, die einem die Tränen in die Augen trieben oder einfach staunend zurückließen. Klar, die Songs hier sind nicht schlecht. Aber vom Hocker reißen sie mich nicht. Das habe ich aber auch nicht wirklich erwartet, denn wer drei tolle Alben in Folge abliefert, darf sich auch mal ein bisschen auf seinen Lorbeeren ausruhen.
Zur Entstehung sei noch gesagt: Haus- und Hofproduzent/fünftes Bandmitglied Mark Trombino war hier erstmals nicht über die ganze Albumlänge für die Platte verantwortlich. Es gab eine Aufnahmesession mit ihm, die Songs wurden aber als zu schlecht in den Mülleimer befördert. Lediglich „Shame“, der Bonustrack, hat es auf das Album geschafft. Deshalb übernahm Gil Norton das Ruder, was aber keinen wirklichen hörbaren Unterschied zu Trombino schafft.
Fazit: „Futures“ hat es nicht geschafft, aus den langen Schatten seiner Vorgänger zu treten, dennoch haben wir hier 12 schöne Indiepop-Songs vorliegen, die mir als eingefleischtem JEW Fan sehr gut gefallen.
(Martin Weise)
Coheed & Cambria - The Second Stage Turbine Blade (Defiance, 21.2.2002)
Coheed & Cambria - In Keeping Secrets of Silence Earth: 3 (Sony, 28.6.2004)

Leute, Leute, Leute, DAS ist abgefahrener Scheiß. Coheed & Cambria kommen aus NYC und haben Großes vor: Die Erschaffung einer Science-Fiction Legende. Aber mal der Reihe nach...
„The Second Stage Turbine Blade“ (kurz: SSTB) ist das erste Album von Co & Ca. in einer Reihe von vier Alben. Chronologisch gesehen ist SSTB das zweite in der Reihe. Der Beginn der Geschichte, „The Online Bag Adventure“, soll am Schluss erscheinen. Auch bereits erschienen ist der dritte Teil, „In Keeping Secrets of Silence Earth: 3“ (Kurz: IKSSE3), der vierte und chronologisch letzte Teil „My Dearest Apollo, Goodbye, I’m Burning Star: 4“ (Arbeitstitel, kann sich noch ändern) wird bald in Angriff genommen.
Verstanden? Nein? Ist nicht so schlimm, denn ich glaube nicht, das Co & Ca da auch hundertprozentig durchblicken. Zumindest bei der Story. Die basiert auf einer Geschichte, die Sänger Claudio sich ausgedacht hat und in Form eines Comics veröffentlicht. Das erste Comic, betitelt wie das Debüt, erscheint bald. Und bis dahin kann ich mich nur auf Spekulationen und Interpretationen (die es zu Genüge auf coheedandcambria.com zu lesen gibt) verlassen.
Im Grunde geht es auf SSTB um Coheed & Cambria. Das sind die beiden Hauptcharaktere. Hier, im chronologisch zweiten Teil, sind die beiden Vierzig, verheiratet, haben vier Kinder. Sie leben in einem Universum, genannt das Keywork, welches verdammt düster und vom Krieg zerrissen rüberkommt. Coheed hat ein Problem. Er trägt ein Virus in sich, das Monstar. Monstar bewirkt, das Coheed langsam aber sicher verrückt wird und sich aufmacht, das Universum zu zerstören („Devil in Jersey City“, „Everything Evil“). Coheed kann sich zuerst wehren, auch mit Hilfe von Cambria, aber Monstar ist zu stark. Daraufhin setzt sich eine Flotte an die Fersen Coheeds, um in zu töten, damit er das Universum leben lässt („Junesong Provision“). Es gibt Krieg, der das Keywork zu zerstören droht, denn es löst sich auf. Als sich letzten Endes die Erde vom Keywork löst, gibt Monstar Coheed die Macht, um alles zu reparieren oder alles zu vernichten.
IKSSE3 fängt im Anschluss zum Song „Neverender“ an. Coheed und Cambria, sowie drei ihrer vier Kinder (sie wurden vielleicht sogar von ihren eigenen Eltern getötet. Ob sie dazu gezwungen wurden oder nicht, ist offen) sind tot. Nur eines, Claudio (Der Sänger hat sich selber in seine Geschichte eingeschrieben), lebt noch, aber er versteckt sich, er ist so eine Art Messias). Er träumt. Der Traum steigert sich stetig in einen wahren Albtraum. Eigentlich ist der Traum Realtiät. Aber wie gesagt, sicher weiß man das alles nicht, bis die Comics erscheinen.
Das wahrhaft Großartige an Co & Ca sind die beteiligten Musiker. Denn hier passiert in dieser Form noch nie gehörtes. Emo/Postcore trifft hier auf regelrechte Progmonster. Das ist ungefähr so, als würden Rush mit der Creme de la Creme der Emoszene ins Bett steigen und es wild treiben. So richtig wild. Das hier sind die beiden mutigsten Emoplatten, die ich in meinem Leben gehört habe. Während man dem Debüt über weite Strecken noch eine gewisse Unreife oder schlicht und einfach Unerfahrenheit anmerkt (es ist auch deutlich härter und undifferenzierter), auch was die Produktion, die Lyrics u.ä. betrifft, ist der Nachfolger nichts anderes als ein gottverdammtes Meisterwerk. Allein der über 8-minütige Opener ist so was von tief und niederschmetternd. Und hier treiben sie es auf die Spitze: Da stehen die straightesten Emomelodien neben verdammten zweistimmigen Metallicks („The Crowing“), regelrecht fröhliche Hooks werden mit den bösesten und morbidesten Lyrics untermalt, die man sich vorstellen kann („A Favor House Atlantic“, „Blood Red Summer“).
Das Ganze gipfelt in dem Dreiteiler „The Camper Velourium“, das mit dem angenehmen „Faint of Heart“ beginnt, dann das einlullende „Backend of Forever“ nachschickt und schließlich im gemeinen „Al The Killer“ mündet. Al’s Schiff ist der Camper Velourium und er ist ein rassistischer, psychopathischer Killer, der noch sehr wichtig werden wird.
Der Rausschmeißer „The Light & Glass“ ist da schon fast versöhnlich, der sehr getragen nur mit akustischer Begleitung anfängt. Aber meine Fresse, diese Lyrics wieder....
Sowieso wird auf beiden Alben die Welt, in der die Geschichte spielt, sehr, sehr düster dargestellt. Dazu kommt die unendlich hohe Stimme von Claudio und seine drei verdammt versierten Mitmusiker. Und was für ein Texter Claudio ist! So ein krypischer Bastard! Aber so voll morbider Poesie, das es kaum auszuhalten ist. Unglaublich, das.
Ich habe echte Schwierigkeiten hierfür eine Bewertung festzulegen. Kann ich das überhaupt? Darf ich das überhaupt? Nein, das kann ich nicht.
Deshalb mein Rat, mein aufrichtiger, gut gemeinter Rat: Holt euch Co & Ca nach Hause. Mittlerweile sind sie nämlich auch in Deutschland erhältlich und man muss sich keine lächerlich teuren Importe mehr holen. Tut es. Jetzt!
(Martin Weise)
The Fyredogs - Pumpin' Iron (CD, 2004)
Yep, schwer am Eisenpumpen, die Kölner Metalheads. So würde ich sie heute nämlich nennen, denn das was es hier zu hören gibt, ist ganz klar ... Metal!
Das bedeutet für die Fyredogs eine Art Back to the Roots und man merkt, wie wohl sie sich im ureigenen Metier fühlen. Nach diversen Umbesetzungen haben sie jetzt nur zu offensichtlich gefunden, was sie gesucht haben.
Die Produktion klingt satt und nicht zu sauber. Wie solch Zeugs heutzutage einfach zu tönen hat. 4 Songs zum Draufbeissen, die sich anfühlen wie ein blaues Auge.
Schönes Cover übrigens!!
(Ralf)
Velvetone - Switchback Ride (Crosscut Records, 2004) - CD
Mit Rockabilly kann ich leider absolut nichts anfangen. Durch die selbstverpassten Etiketten Roots Rock und Rock'n'Roll erwartete ich eigentlich auch etwas Verstaubteres als es Velvetone auf dieser Scheibe anbieten. Das ist sauberst produziert, das kratzt nicht, brummt nicht, bockelt nirgends und wirkt einfach nur gefällig, als wären hier vier Musikstudenten am Werk. Ich weiss nicht, warum ich mir Velvetone immer mit schwülem, staubigem Voodoo-Blues vorstellte? Alte Verstärker, alte Mikrophone? Mag ja sein, klingt für mich aber nicht sehr danach. Den Sound stellte ich mir mumpfig, leicht düster vor? Doch bis auf ein zwei Nummern, die mir dann auch am Besten gefallen, kann ich dazu nur feststellen: Ist nicht. Und wenn die Band dann doch atmosphärisch wird, macht's der Sänger mit fehlendem Feeling wieder kaputt wie auf Strange Times, dem ansonsten besten Song der CD. Es kann eben nicht jeder ein Elvis sein. Mein Fazit: Langweilig und zu glatt.
(Ralf)
Ricochets - The Ghost of Our Love/Slo-Mo Suicide (Glitterhouse, 23.8.04) - DoCD
Ich kann mich leider nicht mit den Ricochets anfreunden. Die norwegische Poprock-Band lässt sich von allem inspirieren, was die skandinavische Rockkultur in den vergangenen Jahren so ausgeschieden hat. Etwas Soundtrack of Our Lives (da soll mich doch der Truthahn schultern, wenn der Titel dieser Platte nicht von irgendwoher ... irgendwie ... oder?), leider aber nicht so cool und routiniert wie jene, etwas Noise Conspiracy, leider aber nicht so lebhaft und clever wie jene und dann halt noch die üblichen Standards in Sachen American Rock geklaut, die alle anderen Skandi-Bands auch schon in unterschiedlicher Art und Weise verwursteten.
Da wird kein noch so schal gewordenes EffEff-Schema ausgespart, nur dass die Ricochets darüberhinaus alles glatt schleifen, wo man sich gerne noch an ein paar Spänen verletzt hätte. Die kriegen noch nicht mal ne schranzige Gitarre hin. Im Gegenteil, die flirrenden Gitarrenfeedbacks und eigentlich sogar der komplette Mix beider Scheiben geben mir ein eigenartiges Gefühl von Räumlichkeit, das schon meine Kindheit mit Alpträumen belastet hat und mir daher Depressionen verursacht.
Dabei klingt dieses zweite Album der Band sogar noch wesentlich eigener als der Vorgänger Slo-Mo Suicide, der hier als Bonus auf einer zweiten CD mitgeliefert wird. Die Keyboards sind wesentlich raffinierter eingesetzt, beschränken sich vorallem auf eine prägnante Farfisa und plätschern nicht ganz so vorsehbar dahin. Die Songs sind knackiger arrangiert und die Stimme von Sänger und Songwriter Trond Andreassen bleibt meist gelassener und cooler, denn im rauheren Bereich wirkt sie austauschbar, gleichbleibend eintönig, ohne Profil, ohne Klasse.
Das Gute an Ricochets-Songs ist auch das Schlechte: Sie gehen sofort ins Ohr, denn sie kommen einem völlig bekannt vor. Leider gehen sie mir aber nach dem dritten Hören schon auf die Nerven, so abgenudelt sind sie. Ich mag die Ricochets nicht, auch wenn ihre Songs durchweg dunkel und negativ angehaucht sind. Ich mag auch die Texte nicht. Mir ist da einfach zuviel wehleidiges "You don't love me no more"-Geschmonze drin. Wegen mir sollen sie berühmt werden. Tut mir nicht weh. Das sind halt Poprocker, Mann! Darf ich das als neues Schimpfwort benutzen, Mami?
(Ralf)
Rocket From The Tombs - Rocket Redux (Glitterhouse, 26.1.04) - CD
Diese Band hab ich hier zuletzt ja diverse Male erwähnt. Sie wurde 1973 gegründet, 1975 wieder aufgelöst und war niemals im Studio um eine Platte aufzunehmen.
Dennoch rangen sich bis 2003 noch Legenden um die damaligen Liveauftritte der Band, zumal Mitglieder der Rockets später mit Bands wie den Dead Boys oder Pere Ubu für unbeschreibliche Furore sorgten.
Letztes Jahr dann die sensationelle Reunion und eine US-Tour. Gleichzeitig erschien auf dem historisch wertvollen und äusserst sympathischen westfälischen Label Glitterhouse eine CD mit Original-Liveaufnahmen, also von damals ("The Day The Earth Met ..."). Neben den drei wichtigsten Originalmitgliedern wurde die zweite Gitarre, als wäre dem nicht genug, von Richard Lloyd (Television) gestemmt, der dann auch noch diese Platte, nämlich endlich die ersten Studioaufnahmen, produzierte.
Eigentlich sollte die CD nur als Bonus zur Reunion-Tour erscheinen, doch als die Aufnahmen grossartiger als erwartet wurden, entschlossen sich die Rockets zu einer offiziellen Veröffentlichung.
Nicht alle Leute wissen, dass viele der Dead Boys- und Pere Ubu-Hits bereits bei Rocket From The Tombs ihren Anfang fanden. Daher gibt es hier die Gelegenheit, legendäre Smasher wie "Sonic Reducer", "Down In Flames", "What Love Is" um nur einige zu nennen, in ihren Urfassungen zu hören. Dazu kommt, dass es sich hier nicht um einen lauwarmen Aufguss dreissig Jahre alter Songs dreht, die von ein paar alten Männern neu eingespielt wurden. Nein, Ihr Lieben, die Platte soundet derart offensiv und retro, dass man kaum glaubt, dass sie erst 2003 aufgenommen wurde. Die Brüder haben unverkennbar Spass daran, sich an 1974 zu erinnern und schmettern einem ihre Hits daher so lebendig und bissig um die Ohren, dass ich die frühen Dead Boys-, ganz zu schweigen von den lahmen Frankenstein-Versionen (der unmittelbare Vorläufer der Dead Boys) der Songs nur als verschwendetes Bandmaterial bezeichnen kann.
Auch Richard Lloyd hat hier grosse Arbeit geleistet und zeigt wieder mal, dass er auch heute noch sehr viel Spass haben kann, wenn man ihn von der Leine lässt. Er war auch früher schon der einfachere und direktere Televisionär, was seine frühen Soloarbeiten bspw. ebenso beweisen, wie dieses unerhört wichtige Artefakt.
So, und nun die neusten Neuigkeiten aus dem Hause Rocket From The Tombs: Cheetah Chrome hat bereits keine Lust mehr und die Band wird demnächst wieder eingestampft. Allerdings nicht, ohne zum ersten und einzigen Mal noch Europa zu bereisen und zwar: FÜR EINEN EINZIGEN AUFTRITT!!!!
Merkt Euch also diesen Termin, wenn Ihr Thomas, Cheetah und Co. mal live erleben wollt. Es wird höchstwahrscheinlich die einzige Gelegenheit in Eurem Leben sein: Samstag, 25. September 2004, in Kassel beim PUNK!-Kongress in der Ingenierschule, Wilhelmshöher Allee 71-73. Ich werde dort sein. Danke für die "Viel Spass"-Wünsche.
(Ralf)
The Ponys - Laced With Romance (In The Red, 2.3.04) - LP
Allerortens hochgelobte Band aus Chicago. Das ist zwar irgendwo Punk und Rock'n'Roll, doch weitaus mehr, weitaus differenzierter, fast schon ziemlich abgehobene Musik. Klingt alles sehr nach Ende 70er, Anfang 80er und immer wieder klingen auch britische New Wave-Ansätze durch. Dennoch wirkt das Album sehr kompakt. Die Band hat auf ihrem Debüt ihren Sound auf alle Fälle schon gefunden.
Wir finden darin schöne, meist nur leicht angezerrte Gitarrensounds, die auch keineswegs nur Riffs smashen. Meist wird aber auf einem Thema herumgeritten und manchmal langweilen mich die Songs ziemlich. Der Gesang klingt gequält, irgendwo zwischen Richard Hell, Tom Verlaine und Robert Smith, oft quengelt er im Stakkato auf einem einzigen Ton herum. Im Prinzip gefallen mir nur 3 oder 4 Songs wirklich gut und wenn eine ganze Seite durchläuft krieg ich von dem nörgelnden Gesang Depressionen.
Ich weiss nicht genau wo die Musikjournalistenzunft die herausragenden Qualitäten dieser Band sieht, vielleicht in den Texten, denn die verstehe ich leider nicht immer gut genug, um sie beurteilen zu können. Bei "Let's kill ourselves" muss ich jedenfalls gähnen, dafür finde ich eine Zeile wie "I only love you 'cause you look like me" ziemlich cool.
Pluspunkte gibt's aber auf alle Fälle noch für das schöne Coverartwork und dafür, dass die Band noch recht jung zu sein scheint und dennoch schon ganz eigene Wege findet. Gut ausschauen tun sie auch. Dennoch: Bis auf wenige Ausnahmen nerven mich die Songs der Ponys.
(Ralf)
David Thomas and Two Pale Boys - 18 Monkeys On A Dead Man's Chest (Glitterhouse, 29.3.04) - CD
Wenn jemand die Worte "Pere Ubu" ausspricht, sehe ich immer diesen grossen runden kahlen Kopf und dessen eigenartigen Gesichtsausdruck vor meinem inneren Auge, der zum Sänger und Bandleader David Thomas gehört. Leider muss auch ich zugeben, mich niemals wirklich mit dieser einflussreichen Band beschäftigt zu haben. Ich war da halt immer eher der Dead Boy, Gott möge mir verzeihen. Die späteren Dead Boys Cheetah Chrome und Johnny Blitz gehörten nämlich ebenso wie David Thomas und Ubu-Gitarrist Peter Laughner zu der legendären Prä-Punk-Band "Rocket From The Tombs".
Pere Ubu gibt es seit ca. 1975 und wenn sie gerade nicht aktiv sind, arbeitet Thomas an verschiedenen Solo-Projekten, bspw. mit Andy Diagram und Keith Moliné, den "Two Pale Boys". Die Besetzung (Gesang, Gitarre, Trompete) macht bereits darauf aufmerksam, dass an allen Gerüchten etwas dran sein könnte, dass Pere Ubu nicht gerade die Band der traditionellsten Gefilde war und ist.
18 Monkeys ist das 3. Album der Pale Boys. Eine Vinyl-Version gibt es nicht, was einen aber erstmal gar nicht stört, denn sobald die CD eingelegt ist, wird alles andere nebensächlich. Die Musik ist ausgesprochen vereinnahmend und schon beim ersten Song spürt man die Anwesenheit des ersten Affens, der sich irgendwo ausserhalb des Augenwinkels in einer dunklen Ecke des heimischen Domizils niedergelassen hat. Dort wird er warten wie der Horla von Maupassant und sich, mit jedem weiteren Hören dieses unseligen Albums, vermehren.
Oft leicht schauerlich, wenigstens aber merkwürdig, schleichen sich die Songs voran und erzählen Geschichten, die genauso schön sind wie verunsichernd. Auch der Sound betört und gängelt gleichermassen und scheint ständig auf der Suche nach der Hintertür im Kopf des Hörers, um ein Gefühl der Unbehaglichkeit zu hinterlassen.
Daran arbeitet ein deutlich undefinierbares Klangbild, das von eigenartigen Elektroniksounds, dem, mal gut zuredenden, dann wieder halb heulenden Gesang von Thomas und einer quengeligen Gitarre bestimmt wird, deren Besitzer offenbar Spass daran hat, gemein zu anderen zu sein. Was ist das nur für ein Mensch, der sich weigert, in Rock- oder Jazzbands zu spielen, weil sein musikalischer Ansatz "a careful diet of high-art electronica and low-art Goth" ist?
Ein Schlagzeug braucht die Band nicht. Rhythmik findet sie auch ohne Schlaginstrumente. Rhythmus ist das grimassenhafte Zucken um Thomas' Mundwinkel und der Takt seiner Poesie, der sich wie eine Zeitbombe im warmen Hinterstübchen einnistet.
Nach dem ersten Hören fand ich die CD befremdlich aber gut. Beim zweiten Hören packte sie mich. Seitdem und vermutlich bis ans Ende meines Lebens werde ich diese verdammten Affen nicht los. Niemand sieht sie, nur ich, doch wo auch immer ich bin, sehen sie lauernd und voller Boshaftigkeit zu mir herüber und warten nur, dass ich mich auf den Rücken lege. Wenn sie doch nur ... VERSCHWINDET, IHR VERFL... aaaaaaarrrgh!!!
(Ralf)

Reigning Sound - Too Much Guitar! (In The Red Records, 26.4.04) - CD
Auf ihrem dritten Album zeigt sich die Memphis-Kombo um den ehemaligen Oblivians/Compulsive Gamblers-Mitstreiter Greg Cartwright unerwarteterweise mit geradezu ungebremster Lebenswut, obwohl die baldige Auflösung der Band durch Gregs Umzug nach North Carolina schon besiegelt schien. Dazu kam, dass das Album, obwohl bereits letzten Sommer komplett im Kasten (wie immer bei Doug Easley aufgenommen), noch nicht veröffentlicht wurde, weil der zweite Gitarrist und Organist Alex Greene seinen Abgang erklärte. Greg wollte aber, dass auch auf der Platte zu hören ist, wie die Band sich live anhört, daher wurde in einer weiteren Mammutsession, diesmal mit Alicja Trout und Jay Lindsey von den Lost Sounds an den Reglern, das Beste aus beiden Sessions herausgesucht, abgemischt und nun endlich auch veröffentlicht.
"Wir werden etwas eigen auf unsere alten Tage", sagt Bassist Jeremy etwas verschmitzt und deutet damit auf die Überraschung hin, die einen schon bei den ersten Takten des brillianten Eröffnungssongs "We Repel Each Other" anspringt. Waren die ersten beiden Alben von schmachtenden Country-Balladen und herzzerreissenden Garage-Pop-Nummern geprägt, so wütet Too Much Guitar! los, als hätte Greg sich wieder seiner ältesten Tage besonnen und würde den Sound der Oblivians mit den Songs der Reigning Sound aufleben lassen. Das Risiko für Zartbesaitete ist sprunghaft angestiegen und schlägt sich in ein paar wütenden Gehörreizungen nieder. Die Gitarre knarzt und giftet mit ohrenschädigenden Höhen um sich, der Gesang muss sich oft leidenschaftlich gegen die krachige Übermacht der ungehörig antreibenden Instrumente behaupten.
Gregs kompositorische Handschrift ist dennoch unverkennbar. Seine teffsicheren Harmonien werden auch mit Too Much Guitar! das Leben vieler Hörer bereichern, auch wenn das weinerlich Wehleidige von kraftvolleren und lebendigeren Riffs in den Hintergrund gedrängt wurde. Songs wie der erwähnte Titelsong oder mein sofort zum Favoriten erklärter "If You Can't Give Me Everything" schmettern mit der Vitalität der Compulsive Gamblers daher und werden auch wieder von diversen Coverversionen wie bspw. Sam & Daves "You Got Me Hummin'" garniert.
Reigning Sound sind ganz klar in den 60ern verwurzelt. Die poppige Intuition mit der grantigen Vortragsweise von Bands wie den Troggs haben sie mit der Muttermilch aufgesogen, doch auch für einige erstklassige Punksmasher sind sie zu haben, wie bspw. auf den letzten beiden Tracks der CD "So Easy" und "Medication" zu hören.
Für mich ist Too Much Guitar! eine klare Überraschung, doch die Reigning Sounds sind stolz darauf ihre Unberechenbarkeit zu beweisen. Da Greg als Songwriter, Bandleader und Booker das Zepter fest in der Hand hält, könne man, laut Jeremy, zwar selbst nie wissen, was als nächstes passiert, doch dass das Ende der Reigning Sound bevorsteht, wie noch Ende letzten Jahres wegen Gregs Umzug vermutet, scheint derzeit weit entfernt, da die Band mehr lokale Livepräsenz zeigt als zuvor und ausserdem ein weiteres, wieder ruhigeres, Album noch vor Ende des Jahres auf Sympathy geplant ist.
Darüber hinaus wird Larry Hardy von In The Red ihnen kaum eine Platte bezahlt haben, ohne zu erwarten, dass sie auch entsprechend mit Touren promotet wird.
Daher darf mit etwas Glück bereits diesen Sommer erstmals auch mit Reigning Sound auf dem europäischen Festland gerechnet werden ... falls die betagten Herren ihre väterlichen Pflichten dementsprechend unter den Hut bekommen.
(Ralf)

Beatsteaks - Smack Smash (WEA, 1.3.04) CD
Die Berliner Buletten kommen mit ihrem mittlerweile vierten Album dermaßen locker um die Ecke, das es eine wahre Freude ist. Dies liegt vor allem an der Produktion der Platte, denn die Beatsteaks sind eine ziemlich geile Liveband. Aus diesem Grund wurde die Platte auch in verschiedenen Studios und Clubs in und um Berlin live eingespielt. Darum klingen die Beatsteaks auch das erste Mal so richtig nach sich selbst. Nachdem der Vorgänger „Living Targets“ eine deutliche Verschiebung hin zum Rock war, ist es hier wieder der Punk, der die Musik macht. Und man merkt ziemlich deutlich, was die Jungs für Helden haben: The Clash. Und das hört man dem Album an, jeder Song hat den ein oder anderen Augenblick, wo man fast denken könnte, die Engländer persönlich wären hier am Werke, bei dem Solo von „Hand in Hand“ zum Beispiel. Auf dem Album findet sich dann auch mit „Hello Joe“ ein unpeinlicher Abschiedsgruß an den verblichenen Herrn Strummer. Sänger Arnim spielt hier erstmals über die gesamte Albumlänge den Riesentrumpf aus: seine unglaubliche Reibeisenstimme, die er in der Vergangenheit oft hinterm Berg hielt. Warum eigentlich, denn es gibt hier im schönen Deutschland wohl kaum jemanden, der so kraftvoll, eindringlich und doch sympathisch klingt wie er. Die Songs sind alle sehr kompakt, besonders „Loyal to none“, den Gittarist Bernd sich von der Seele schreit und der ganz viel Street-Attitüde mit auf den Weg bekommen hat. Und nach knapp einer halben Stunde ist die Platte auch schon zu Ende. Und schon wandert der Finger zur Repeattaste...
Und der Fan fragt sich freudig und doch bange: Was kann nach dieser Platte jetzt noch kommen? Denn richtiger kann man es kaum machen.
(Martin Weise)

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