Platten 2006

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Joanna Newsom - Ys (Drag City Records, 2006) DoLP
Eine geradezu fürchterlich gute Künstlerin. Hab mich ja jahrelang gegen neue Musik gesperrt und deswegen diese blutjunge, zur Zeit der Aufnahmen gerade mal 24jährige, Musikerin gerade erst entdeckt. Und dazu muss noch erwähnt werden, dass dies ihre zweite reguläre LP ist, der noch zwei unreguläre vorausgingen und davor hat sie noch in Bands gespielt. Soll nochmal jemand sagen, es gibt heutzutage keine guten Musiker zu entdecken.
Joanna spielt Harfe (seit sie sieben Jahre ist) und singt dazu. Die Kompositionen sind ausufernd, eigenwillig, folgen keinen schematischen Strukturen, nur der Geschichte, brechen auch mal quer durch die Hecke, wenn es die Dramatik so erfordert. Denn Joanna ist in erste Linie eine Autorin, eine Lyrikerin genauer gesagt, und dem zollt die Musik Tribut. So singt sie, jammert, quäkt, greint mit ihrer kindlichen, süssen, nervigen und trällernden Stimme, die mir so sanft ins Ohr rollt, dass ich gar nicht aufhören kann, zuzuhören. Die Stimme ist denn auch das Teil des Ganzen, das Joanna zum Indie-Folk zählen lässt und so viele Anhänger in ebenjener Szene finden lässt. Ich denke, dass sie der Traum jedes Indie-Boys ist, etwa wie vor 25 Jahren Björk. Der Schrägheit einer Björk und der Schrulligkeit einer Kate Bush gedenkt man denn auch am Ehesten, Vergleiche sind aber haltlos, denn beide sind wesentlich strukturierter. Newsom übergeht die Notwendigkeit sich auf Einleitungen, Refrains oder auch nur Zwischenparts einzulassen. Der Text wird nahtlos durchgearbeitet. Sie setzt nicht ab, sie ergiesst sich, holt kaum Luft. Und das ist anfangs kaum zu ertragen, so abgefahren ist das alles.
Die ersten Durchläufe der fünf Lieder, deren abstrakter Höhepunkt im fast 17minütigen "Only Skin" zu finden ist, fallen schwer. Die wiederkehrenden Elemente sind nicht sofort wahrnehmbar da sie unter der hüpfenden Emotion der Sängerin und ihrer selten dem Rhythmus angepassten Erzählform fast verschwinden. Wenn man's dann fünf- oder zehnmal gehört hat, wird's hörbar, wenn auch noch lange nicht logisch.
Harfe und Gesang hat Steve Albini aufgenommen. Der ist natürlich fraglos an solch ungewöhnlichen Projekten interessiert und hat seine Arbeit ausgezeichnet gemacht. Die Harfe rückt dennoch erstaunlich weit in den Hintergrund, denn später wurde ein ganzes Orchester dazuarrangiert, das zwischen schön ruhig und exzentrisch aufbrausend alles aufbietet und zusätzlich Unrundheiten in die Lieder (Songs kann man hier gar nicht sagen) bringt.
So scheint dies weder Folk noch Indie zu sein, keine populäre Musik ganz allgemein. Die Phrasierung ist zu komplex. Dennoch bleibt Newsom durchgehend tonal, die meist nicht sehr aufwendig aufgebauten Grundstrukturen, die die Harfe legt, sind nur ausufernd überinstrumentiert. Wenn man ihr musikalisch etwas vorwerfen kann, dann Überfrachtung. Immer eine Ecke zu viel und zu lang. Doch genau diese Verquertheit und sture Unkommerzialität gefällt mir an Ys, denn eins ist sie nicht: Selbstgefällig. Dazu wird zu viel echtes und zartes Gefühl aufgebracht, zuviele Persönlichkeit offengelegt.
Das unterscheidet sie zu der arroganten Aufgesetztheit episch-verkopfter Werke von Bands wie ELP oder Yes (und ich weiss von ich rede, denn als 15jähriger war ich wohl locker der grösste Yes Fan meiner erweiterten Nachbarschaft und hab noch alle Platten immer da, jawoll). Wäre ja auch schade, wenn man aus deren Schwachpunkten nichts gelernt hätte. Solange wir keinen Weltkrieg mehr haben, wird Musik besser werden. Da bin ich mir jetzt doch ganz sicher. Es wird immer viel viel Schlechtes geben, das kopiert und verliert. Vielleicht kommerziell gewinnt aber niemals überleben wird. Doch die Qualität der Getriebenen, der besessenen Erneuerer wird wachsen.
Ich liebe diese Musik. Will sie zwar nicht immer hören, doch immer wenn das Gefühl dazu aufkommt, werde ich nahezu euphorisch und lasse mich dann von der märchenhaften Atmosphäre fangen, die ein wenig wie Disneys Alice in Wunderland klingt, auch wenn ich das noch nie gesehen habe.
Was mich auf Anhieb so besonders an Joanna faszinierte, ist der Gegensatz ihrer kindlich unschuldig verträumt wirkenden äusserlichkeit (klar, ein Image, aber ich lass mich davon gerne einfangen, denn im Gegensatz zur Mathematik, bemüht Musik - wenn sie gut ist - auch Emotionen und einer täte schlecht daran, sich dem zu entziehen) zu der Fertigkeit ihrer Kunst. Das wirkt nicht angelernt sondern geerbt, instinktiv, wie ein Raubtierkind, das noch spielt und dennoch schon tötet
Und nun zum Cover, meine Damen und Herren. Es kann einfach nicht oft genug deutlich gemacht werden, wie wichtig das Überleben von Vinylschallplatten ist. Dem traumhaften Artwork dieser Schallplatte, und ich betone das Art vor dem Work, ist es zu verdanken, dass ich sofort zugegriffen habe, als ich sie im Laden stehen sah. Angefangen beim festen Karton, bei dem symbolschwangeren Gemälde auf der Vorderseite, den wundervoll gestalteten Innenseiten mit Texten und Illustrationen.
Auf CD oder sogar als digitale Dateien werden mehrere Facetten des Gesamtwerks völlig ausgelassen. Das Artwork ist mit das Beste, das ich jemals in den Händen hatte und der Nachfolger "Have One On Me", der in einer opulenten 3LP-Box kommt, mit wunderschönen Gemälden und Fotos von Joanna, setzt fast noch eins drauf.
Wie froh bin ich, diese Platte anschauen zu dürfen, sie während des Hörens ehrfürchtig in den Händen zu halten, immer an den Rändern, nur nicht zu arg befingern. Hätte ich nur paar mp3 Dateien gehabt und dies erst nach meinem Tod festgestellt, ich hätte nochmal zur Welt kommen und Selbstmord begehen müssen vor lauter ärger.
Die CD als Format wird nicht überleben. Sie wird neuen Trends weichen müssen. Faule, arme und weniger an der musikalischen Kunst interessierte Menschen werden noch digitaler, doch Vinyl wird wieder kunstvoller und auch wieder erschwinglicher werden, solange es Menschen gibt, die Projekte wie die einer Joanna Newsom unterstützen. Und da lobe ich alle Beteiligten, selbstverständlich auch das Label Drag City.
Der in diesem Jahr erschienene Nachfolger "Have One On Me" ist allerdings wesentlich unschrulliger. Die Lieder sind noch zarter, ruhiger, minimaler und stringenter, zugänglicher. Auf die schwülstige Orchestrierung wurde verzichtet, hier und da wird sogar (aber nur kurz!) ein Rock-Schlagzeug eingesetzt. Auch die Stimme ist gelassener und gleichförmiger (wobei sie einer Kate Bush nun doch teils recht nah kommt). Hätte ich die neue Platte zuerst gehabt, hätte sie mir sicher auch besser gefallen, doch Ys wird wohl immer mein Liebling bleiben, in all seiner traumverschlafenen Widerspenstigkeit.
Diese Platten sind nicht nur kunstfertig in jeder Hinsicht, sie sind auch kunstvoll und .... voller Liebe.
(Ralf, 18.6.11)
The Blood Brothers - Young Machetes (Wichita Recordings, via V2, 2006) CD
Da sind sie wieder. Die garstigen Schöngeister des Hardcore. Ihre fünfte Platte "Young Machetes" bürstet mir in eben diesem Moment meine Ohren aus. Wie kann eine Band, von der geglaubt wurde sie hätte alles gesagt, aufs Neue so ein Teil raushauen? Wir erinnern uns: "Burn, Piano Island, Burn". Kompromisslos, bei aller Härte und Hysterie streckenweise eingängig, aber innovativ wie noch was. "Crimes", der Nachfolger, war der Konsens. Ausbau der Position, aber schon auch Ausschau, was da noch kommen könnte, auch wenn es niemand geglaubt hat. Und jetzt das. Von allem gibt es eine Schippe zusätzlich. Hysterie, Härte, Pop, Groove, Intensität, Innovation, Schnelligkeit, aber auch Langsamkeit. Daran wären sie fast zerbrochen. Verständlich, wenn man sieht, was letztendlich das Produkt bietet. Sie trauen sich noch mehr, gehen noch mehr ab. Sie klingen einfach so gut wie noch nie zuvor. Was für brillante Musiker sie geworden sind demonstrieren sie da eher nebenbei. Die bekannten Stilmittel sind die gleichen geblieben. Die extrem fiesen Zwiegespräche zwischen Johnny und Jordan, Volatos komplett dekonstruierte Gitarrenparts und das phänomenale Drumming von Henderson. Nur waren sie noch nie so ausgewogen, "songdienlich" vor allem.
Aber trotzdem muss man sich die Blood Brothers erarbeiten. Ihr Sound schlägt auf den Magen und zwar nicht zu knapp. Produziert hat Guy Picciotto von Fugazi zusammen mit John Goodmanson, die es geschafft haben, diesen überbordenden Ideenpool in Form zu bringen und den Sound der Platte genau so klingen zu lassen, wie es sein muss.
Der Einstieg wird einem noch verhältnismäßig leicht gemacht mit "Set Fire to the Face on Fire", aber das Gesicht fällt spätestens bei "Laser Life" schnell Richtung Süden. Und so reihen sich die Peitschenhiebe aneinander wie Perlen an einer Kette. Ich könnte jetzt aufzählen, aber das ist hinfällig. "Giant Swan" am Schluss setzt dem Ganzen die Krone auf. Ein schieres Wechselbad der Gefühle.
Wer die Blood Brothers nicht mag, wird sie nicht mögen nach dieser Platte. Wer sie liebt, dem schenken sie Himmel und Hölle in einem wunderschön geschnürten Paket. Denn das Artwork ist wieder einmal einfach nur perfekt. Man ist fast versucht zu denken, das sie hier ein Best-Of (im positivsten Sinne) vorlegen.
Und ja, diese an Highlights vollgestopfte Platte lässt dieses Mal tatsächlich und endgültig fragen: "Quo Vadis, Blood Brothers?" Was kommt da noch? Was KANN da noch kommen?
(Martin Weise, 7.2.07)

Surfaholics - On The Rocks (Kamikaze, 2006) CD
Die Surfaholics aus Österreich mit dem Coca Cola-Schriftzug gibt es seit 1997 und wie viele Kollegen ihres Genres haben sie sich beim Skaten zusammengefunden. Nach drei vier lockeren Jahren festigte sich ihr Stil dann im Punkrock (die Band hat nämlich nichts mit Surfmusik am Hut, auch wenn der Name und das Label Kamikaze stark darauf hindeuten).
On The Rocks ist ihr zweites Album und klingt sehr lebhaft und mitreissend. Die Qualität der Band ergibt sich in erster Linie über den hervorragenden Sänger, doch insgesamt haben die mir deutlich zuviel Hellacopters und Beatsteaks gehört. Für mich ist hier leider nichts zu holen. Ich habe die Band zwar noch nie live gesehen, doch aufgrund dieser CD wirken sie mir jünger als es die fast 10jährige Bandgeschichte vermuten lässt und ihre Musik scheint auch eher für ein jüngeres Publikum bestimmt zu sein.
(Ralf, 6.1.07)
Concerto Hifi - Paranoia Disco (selbstproduziert, 2006) CD
Eigenartiger Bandname. Ich finde zwar das Klischeeferne immer lobenswert kreativ, doch Concerto Hifi klingt für mich ausnehmend seltsam, geradezu bedenklich. Ebenso das grauenvolle Cover, das in mir reichlich unangenehme Gefühle aufkommen und mich diese CD monatelang unangetastet herumliegen liess. Ich hab sie eigentlich nur während einer grossangelegten Aufräumaktion in einem besonders gutmütigen Moment eingelegt. Man muss ja nicht immer dem Klischee entsprechen, doch irgendwas an einem Cover sollte schon ansprechend sein. Das hier ist das Schlimmste, das ich je in meinem Leben gesehen habe. Ich kanns leider nicht anders ausdrücken.
Es dreht sich um die erste CD eines Kölner Trios. 5 Songs mit sehr eingängigem poppigen Rock, der trotz reichlich breit gestreuter Einflüsse (vom Strokes-und-Gefolge-Boom bis zum Stonerrock) ziemlich homogen und vorallem sehr frisch und lebendig klingt. Ist durchaus ansprechend. Ich habs sogar mehrere Male durchgehört und die Melodien bleiben sofort hängen.
Unterm Strich konnte ich meine Zweifel an der Koscherheit dieser Band aber leider nicht ganz ausräumen. Man vermutet ja hinter jeder Hecke die üblichen Trittbrettfahrer. Diese Band müsste ich erstmal live sehen oder auf andere Weise mehr Informationen bekommen, um sie wirklich beurteilen zu können.
(Ralf, 6.1.07)
The Maharajas - Weekend Sparks (Crusher Records, 25.11.06) 7"
4-Song-EP der seit Mitte der 90er bestehenden Band um den schwedischen Langzeithelden Jens Lindberg (Stomach Mouths, Maggots u.a.) und daher wie zu erwarten mit 60s-infiziertem Garagenrock. Neben dem etwas schwächeren Einstiegssong "Sometimes I Miss Me" zeigt man sich dann aber doch etwas variabler und beweist höhere Songwriting-Qualität als vom Gros des 60-Garage-Sektor geboten wird.
Mit Mathias Lilja (Ex-Strollers) verfügen die Maharajas zudem über einen herausragenden Sänger, der in der Lage ist einer Band die prägenden Elemente zu verleihen, was insbesondere auf dem Herzstück und der besten Komposition der EP, dem Titelsong "Weekend Sparks" zu tragen kommt.
(Ralf, 21.12.06)

Leaflet - Leaflet (selbstproduziert, 15.12.06) CD
Leaflet ist eine hervorragende Rock'n'Roll-Maschine und hier ist das Album dies endgültig zu beweisen und der Nachwalt zu erhalten.
Oft nah am Klischee und dennoch so clever, sich locker darum zu winden. Variabel und dennoch stilsicher, erfolgsliebäugelnd und dennoch dreckig, mit griffigen Melodien und dennoch nicht platt (den "bösen" Song verzeihen wir ihnen gerne als ironisch). Die Gratwanderung zur richtigen Mischung ist eine der grossen Qualitäten des Vierers, dessen Zukunft zuletzt nicht ganz sicher war. Hoffen wir das Beste. Für mich ist dies ihr Meisterstück und kommt ausserdem in einer sehr schönen Verpackung!
(Ralf, 21.12.06)
Nachtrag am 25.12.06: Nun ist es offiziell. Leaflet spielen am 4.1.07 im Zofinger Ochsen ihre letzte Show. Aber jedes Ende macht auch Platz für Neues!

The Lipstix - Paradies In Hell (selbstproduziert, 06) CD
5-Track Mini-CD der ostdeutschen All-Girl-Band. "Nur" Punkrock, wie im Info beschrieben, würde dem Schaffen der 18jährigen Mädels allerdings nicht gerecht werden. Da steckt viel mehr drin als nur blosses Riffing. Ich würde das als Indie-Rock mit viel Melodie und emotionalen Harmonien bezeichnen. Die Gitarren sorgen für mehr als eine Harmonieschicht und der Gesang ist für die Sache perfekt. Sowas würde ich aufs Southside stecken. Das Songwriting und die Texte sind zwar insgesamt recht gefällig und könnten für meinen Geschmack etwas beunruhigender sein, der Qualität tut das aber keinen Abbruch.
Ich weiss nicht, ob man's leicht hat, sich hiermit heutzutage durchzusetzen, doch gefallen kann das prinzipiell jedem. Die Sängerin heisst Vic Vaising und kann sich damit auf eine Familientradition berufen, die auch durch Think About Mutation und anderen von sich hören liess. Behaltet sie im Auge!
(Ralf, 1.12.06)
Nachtrag v. 6.2.11: Lipstix sind aufgelöst. Nachfolgeband heisst So-Fi.
5Bugs - Tomorrow I'll Play God (Rockhit Records, 3.11.06) CD
Die 5Bugs werden in letzter Zeit in der einschlägigen Fachpresse mehr als gelobt! "Uncle Sally" schrieb, die Berliner seien Deutschlands spielstärkste Newcomer-Band! Das haben 5Bugs bisher auch bewiesen. Anfang November kommt nun das zweite Album "Tomorrow I'll Play God". Mit diesem Album im Gepäck unterstreichen Sie mit einer Tour, die wohl kein Ende finden wird, die Aussagen der Fachpresse.
Mit "Tomorrow I'll Play God" starten die 5Bugs, ab sofort bei Rockhit Records unter Vertrag, nun also voll durch. Im Studio mal noch kurz Guido von den Donots eingeladen und fertig war die Platte. Diese überzeugt durch Refrains die sich bereits beim ersten Hören in die Grosshirnrinde bohren. Genau das verspricht das Promoschreiben. Die 5Bugs spielen Ihren Emopunk verdammt tight nach vorne – immer geradeaus, ab und zu ein eingängiges Solo, hin und wieder die emotypischen Schreieinlagen, da n kleiner Tempowechsel, alles immer auf den Punkt! Fein, fein, fein.
Die Wand für die goldene Platte haben sie wohl schon freigemacht, denn mit "Tomorrow I'll Play God" brauchen sich 5Bugs nicht vor den Kollegen aus USA verstecken! Wer braucht schon die Ataris oder die Get up Kids, wenn wir in Deutschland Bands von diesem Kaliber haben.
(Sascha Wietstock, 31.10.06)
Suicide Souvenirs - Ain't It Strange (selbstproduziert, 2006) CDR
Erste Demo-EP des Dreiers aus dem Balinger Satanics/Mokicks-Umfeld. Mit drei Songs bekommt man den ersten Vorgeschmack auf frühzeitlichen Punk- und Waverock, der eine Brücke von David Bowie über Gang of Four zu Jesus And Mary Chain schlägt, trotz des simplen Aufbaus immer wieder mit überraschenden Harmonien zu glänzen weiss und einen romantischen Hang nicht von sich weisen kann.
Dazu tragen die schönen Melodien von Gesang und Gitarre sowie Textzeilen wie "If You Want You Can Lean On Me" bei. Nun bin ich ja nicht gerade ein Romantiker und bin auch immer sehr kritisch, wenn die Aussagen mir zu ... wie soll ich sagen ... "einfach" sind. Dennoch hat dies hier etwas Ergreifendes und das liegt an der schlichten Ehrlichkeit, der unprätentiösen Art des Vortrags.
Der Beat scheppert dazu immer schön voran und erhält damit die punkige und garagige Härte.
Alle drei Songs haben Ohrwurmcharakter und wer die Suicides schon live gesehen hat, weiss, dass sie mit dem selben Kaliber bereits eine ganze LP füllen könnten, obwohl die Band gerade mal ein Jahr existiert.
(Ralf, 27.10.06)
Dead On The Sofa - Inspector Fox (selbstproduziert, 2006) CD
Die Sofas sind eine der wenigen, wenn nicht sogar die einzige, junge Balinger Underground-Band in den letzten 3 Jahren, die ihren Stil jenseits von Punk und Ska gefunden hat. Sie sehen sich selbst als Garage-Rock zwischen Noise Conspiracy und den frühen Stones. Aufgrund der Tatsache, dass sie eine junge Band mit modernem Gedankengut sind, die aber vorallem "alt" klingen, trifft das sicher zu.
Die vier Songs sind recht ruhig, in moderatem Tempo und bleiben allesamt auf einem einzigen Riff, was dem Gesamten eine entspannte Note gibt. Sie tragen eine leicht traurige aber doch positive Grundstimmung und schaffen eine sehr angenehme charmversprühende Atmosphäre. Der Gesang ist etwas nölig und scheint manchmal auf der Suche nach der Melodie, was für mich anfangs nicht sehr eingängig war, nach dem zweiten dritten Hören dann aber doch fest hängenbleibt. Die Gitarren sind fast oder gar nicht verzerrt und die Hammondorgel setzt dem Sound dann natürlich noch das i-Tüpfelchen auf.
Ungewöhnlich aber sehr angenehm und mit viel eigenem Profil.
(Ralf, 27.10.06)
Stronzos - Stronzos (selbstproduziert, 2006) CD
Debut-CD der schweizer Underground-Rocker um den charismatischen Bandleader Mitch aus dem Hellmute/Leaflet-Umfeld. Tolles Cover im Karton, wie immer optisch das Feinste aus dem Hause Wolf.
Zu hören gibt es 9 Songs die viel Überraschendes bieten. Die krasse Härte, die disharmonischen Elemente sind einer poppigeren Geradlinigkeit gewichen, die viel Raum für Melodie und ungewohnte Sanftheit einräumt. Stilistisch ist fast jeder Song anders. Fast grenzwertig aber jedenfalls sehr mutig.
Unverändert geblieben ist aber der Charakter der Band, die Leidenschaft in allem was sie tun, von der Musik über die persönlichen und kritischen Texte bis zur grafischen Aufmachung und der durchgehenden Message. Hier wird weiterhin Wert auf Werte gelegt, auch wenn das nicht immer allzu offensichtlich ist. Doch Mitch Wolf wäre nicht Mitch Wolf wenn er zu leicht zu durchschauen wäre.
Ebenfalls gespannt bin ich darauf, wie sich dieser Stilwechsel live darstellen wird, denn am 25.11. spielen sie im Rahmen der Hartklang-Reihe im Balinger Sonnenkeller.
(Ralf, 23.10.06)
Fuzztones - Illegitimate Spawn - The Tribute LP (Sin Records, 2005) DoCD
42 Bands auf einer Doppel-CD huldigen den Fuzztones, uns allen als 60s-Garage-Legende um den Sänger und Gitarristen Rudi Protrudi bekannt, die insbesondere in den 80ern für Furore sorgten, heute aber immer noch aktiv sind und denen im Laufe ihrer Karriere derart viele Aufnahmen mit Coverversionen ihrer Songs gegeben wurden, dass sie diese nun auf einer Doppel-CD zusammengefasst haben um damit ihr 25jähriges zu feiern.
Die CD ist der eindeutige Beweis für den weitreichenden Einfluss der Fuzztones, die 1980 in NYC starteten, als wirklich niemand 60s-Garage spielte, und dennoch mit Hartnäckigkeit und Qualität ein immer grösser werdendes Publikum fanden, was in der 85er-Europatour als Support der Damned zur weltweiten Aussaat einer Frucht führte, deren Nachkommen nun hier zu hören sind.
Die Bands rekrutieren sich fast aus aller Welt. Einige auch aus Deutschland. Für mich sind die interessantesten Namen dabei Nikki Sudden, Jayne County und die Morlocks. Ist sicher schön und interessant für die Fuzztones, sich das alles anzuhören, ich persönlich halte mich da doch lieber direkt ans Original, denn von keinem der Songs hatte ich das Gefühl, eine kraftvollere Version als vom Original gehört zu haben.
Nachdem ich mehrere Jahre kaum mehr Fuzztones-Platten aufgelegt habe, fand ich am spannendsten diese Qualität und Eigenheit Fuzztone'scher Kompositionen wieder deutlicher bewusst wahrzunehmen, diese Einzigartigkeit und Eingängigkeit, die unwiderstehlichen Basslines, die lustigen B-Movie-Horrorfilm-Texte und den aussergewöhnlich kraftvollen Pop-Appeal der viele Fuzztones-Kompositionen so erhaben macht.
Dazu gibt es ein wunderschönes 28-seitiges Booklet mit allen Bands und Artwork vom Meister selbst.
(Ralf, 26.9.06)
No Code - Demo 06 (selbstproduziert, 2006) - CDR
Albstadt ist Tanzmusikerland und das war es schon immer. Viele gute Musiker, aber alle haben nur die Kohle im Kopf.
Im hochzulobenden Gegensatz dazu pflegen No Code neben einer zunehmenden Kollegenschaft auch Tugenden die uns bei Kickin Ass interessieren, nämlich Ideale und Kreativität. No Code sind jung und haben sich in ihrer kurzen Karriere, ähnlich wie Momsday auch, extrem zu verbessern gewusst. Man darf sie dem Grunge zurechnen und da fühlen sie sich auch wohl.
Das Demo 06 glänzt mit druckvollem Sound (unglaublich, was man mittlerweile aus digitalen Aufnahmegeräten rausholen kann), guten Kompositionen und stabilem Spiel. Das Riffing ist mitreissend und energievoll und No Code werden sich ab sofort an anderen Massstäben zu messen haben.
Einziges Manko für mich der Song "Waiting For Sun", ein typischer "ruhiger" NoCode-Song, wie sie insbesondere bei Live-Auftritten noch vermehrt zum Einsatz kommen und wobei deutlich wird, wie schwierig es ist, die Intensität eines ruhigen Songs auf dem Level zu halten. Ich finde dieser hier sackt atmosphärisch ein wenig ab. Mir persönlich gefallen die kraftvolleren No Code Songs besser. Insgesamt war ich überrascht über die kraftvolle Produktion und die sattelfesten Kompositionen. Kann ich absolut empfehlen.
(Ralf, 31.7.06)
Dayforday - Until There's Just The Bitter Taste (selbstproduziert, 2006) - CD
Nach der letztjährigen Split-Mini-CD mit Jetsaidready, finde ich die neue Full-Length-CD der langlebigsten Balinger Punkband leider etwas dröge. Der Stilwechsel ist vollzogen und macht die Sache sehr rund und homogen, mir fehlt allerdings über die Gesamtlänge der CD die inspirative Kraft, die der Vorgänger noch hatte. Dessen Titel "Stand Aside" ist für mich der beste Song, den Dayforday bislang geschrieben haben. Der Song hat eine knallige Hookline, einen einprägsamen Refrain und ein mitreissendes Arrangement. All jenes vermisse ich auf dieser CD fast durchgängig. Ausserdem werden die Metaleinflüsse nun doch deutlicher, was sicherlich an dem vielen Hardcore liegt, den sich vorallem Michi und Gebert reinziehen. Insbesondere der Sound nähert sich ihrer Vorstellung von brutalerer Musik an, was sich in diesem Fall aber besser auswirkt denn je.
Und nach dem Durchlesen der Texte mag man in Depression verfallen. Man bekommt das Gefühl, dass Dayforday nun ihre Jugendjahre endgültig abgelegt haben und anfangen ihre Seelenwunden zu zählen.
Dazu fängt dann allerdings das schlichte Schwarzweiss-Cover, bei dem auf jeglichen Firlefanz verzichtet wird, wieder an zu gefallen und wenn man Herrn Gebert hört, der mir erzählte, dass er mit dem Ziel ins Studio ging, die deprimierenste Platte seines Lebens zu machen, dann muss ich auch sagen: "Yep, das ist gelungen!" Und zwar mit der Inbrunst, die man ihnen ja wohl als Letztes absprechen kann.
Dayforday haben mit der Reife auch an sehr an Tiefgründigkeit gewonnen, was sie beinehrlich und mit grosser Hingabe vortragen. Gross im Zweifel an der Welt und am Leben.
Für mich ist "Until There's Just The Bitter Taste" ein schwerverdauliches Werk, dem die Höhepunkte fehlen, das aber über seine tieftraurige Abgründig- und Trostlosigkeit zu gewinnen weiss. Vielleicht wird es als DAS Dayforday-Werk in die Geschichte eingehen, das für die Fans immer eine Sonderstellung behalten wird, weil es so schwer zugänglich ist und im Bemühen diesen Zugang zu finden, zu wachsen beginnt, bis es für immer als Kultware angepriesen werden wird. Wer weiss ...
(Ralf, 24.4.06)

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