Platten 2008

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12 Angry Men - Aufs Maul a la Carte | Black Keys - Attack and Release | Clap Your Hands Twice - Survival Of The Fittest | Derby Dolls - Rich Kids Love Hate | The Mokicks - Neues aus der Anstalt | No Code - Talons of Society | The Poison Ivvy - Out For A Kill

The Mokicks - Neues Aus Der Anstalt (13.12.08) CD
Nachwievor, und heuer bereits mit ihrer vierten CD (drei davon sind hier besprochen), sind die Mokicks die wildeste und kontrollentrückteste Underground-Band der Gegend. Sie sind es immer gewesen, von dem Tag ihrer Geburt an.
Ein Haufen selbstverliebte Chaps wie auch selbstloser Heroen, deren Seelen genausotief im Fegefeuer hängen wie im Himmel. Nicht im Himmel der Christen natürlich, ihr Schlafkappen, ich spreche von unserem Himmel, vom Himmel der Robin Hoods des Undergrounds. Der Widerspruch in den Charakteren der Mokicks ist essentiell. Der westliche Künstler bezog aus dem inneren Konflinkt mit seinen Widersprüchen schon immer die treibende Urgewalt.
Über ihre CDs ranken sich mehr Gerüchte als Wahrheiten, denn kaum einer hat sie. Warum? Weil sie kaum welche in den Umlauf gebracht haben.
Erfolg? Steht nicht im Porfolio. Dafür schaffen sie es mit kalkuliertem Understatement, das ungefähr genauso frech daher kommt, wie die Zahnlücken des Drummers Junk, eine Legende, einen Kult zu erschaffen, der lange anhalten wird. Über die Mokicks spricht man, zumindest tun wir das, ich und meine Freunde, wie über tote Künstler.
Ihr Stil: Criminal Deficit Punk. Was für ein Etikett. Und so klingts auch. Sie sind mit "Neues aus der Anstalt" zu ihren Roots zurückgekehrt, zumindest was die Aufnahmemethode betrifft: Cassette. Hier stellt sich nur die Frage: C60, C90 oder C120. Wem das noch was sagt, der weiss, wie unterschiedlich die Dinger klangen und wie schnell sie verschlissen waren ... und wie oft die Dinger vom Kassettenrekorder gefressen wurden.
"Neues aus der Anstalt" ist Mokicks aus dem Lehrbuch: Verzerrt, verrückt, wüst, stereo (Drums links, der Rest rechts). Und ihren Teil der lange geplanten und nie realisierten Splitsingle mit den Stereo Satanics haben sie erfüllt, indem sie zwei deren Songs hier auf grandiose Weise durch den Wolf drehen.
Würde es heute noch die Killed By Death-Punksampler geben, die die besten unbekannten Punkbands aller Länder zu Ohren brachten, und damit dem Punk die eigentliche Seele erhielten, die Mokicks wären Stammband.
Balingen-Ostdorf. Später Freiburg, Hamburg, Berlin, Albstadt, Weingarten (um die Metropolen aufzuzählen, in denen sich Mokicks-Mitglieder niedergelassen hatten/haben). Die Mokicks sind so dorf wie sie welt sind. Quer, eigen, beschissen, doof, wertvoll, künstlerisch, gehasst, laut, lieb, unschlagbar. Chaps einfach.
Achso, neben den 15 regulären Songs gibts noch ne ganze Ladung weiterer Songs als Bonus. Teilweise dieselben die schon drauf sind als andere Versionen. Auf meine Nachfrage, worum es sich hierbei genau dreht kam die lapidare äusserung "B-Seiten, Raritäten, Alternativversionen, alte, noch nicht veröffentliche Aufnahmen, betrunkenes Gestotter". Na so genau wollte ich's auch nicht wissen ...
(Ralf, 13.8.09)
Auf Platte kommt die Seele zwar nicht so besessen rüber wie live, deswegen dachte ich an drei Soulpoints, doch das irrwitzige Cover reissts wieder raus.
Derby Dolls - Rich Kids Love Hate (That Lux Good, Nov. 2008) CD
Es ergab sich, dass die neue Derby Dolls zeitgleich mit der neuen Kings of Leon und der neuen Oasis in meinem CD-Wechsler landete. Die anderen sind schon lange raus, die Derby Dolls wird von mir immer noch gerne gehört und ist die einzige über die sich zu schreiben lohnt.
Auf der CD gibt es reichlich knarzende Gitarren, die sich zwischen Garage, Punk und skandinavischem Rock bewegen. Vor Overdubs wurde nicht zurückgeschreckt, aber das tut dem ehrlichen, dreckigen Sound überhaupt keinen Abbruch. Das Schlagzeug ist jederzeit tight und, wie ich finde, einfalls- und abwechslungsreich. Der Bass schwingt sich öfters auf zu wunderbaren Melodien und erinnert dann etwas an Califonia-Punk. Diese Kombination alleine reicht schon aus für ein tolles Album. Aber es gibt ja noch Helen's Gesang, der irgendwo zwischen Patti Smith und Karen O gegen die Gitarren wettert und eigentlich immer als Gewinner aus den Songs geht. Das gute Songwriting habe ich schon erwähnt - es gibt keinen schlechten Song.
Wahre Größe zeigen die Derbys dann bei "the shake". Die interessanten Oooh-Aaah Sounds, Loops, Beats und Filter-Synties werden nicht breitgetreten, so dass es spätestens beim 5. Hören nerven würde, sondern werden sofort wieder eingefangen und vom runden Band-Sound und mächtigen Gitarren in die Ecke gestellt. So muss das sein. Einziger Wermutstropfen ist das Artwork - nicht mein Geschmack.
(Matze Ulrich, 7.12.08)

Clap Your Hands Twice - Survival Of The Fittest (Eigenproduktion, November 08) CD
"Clap Your Hands sind scheisse!" Mit diesem Spruch hätte man sich 2008 in Albstadt und Umgebung nicht auf die Strasse gewagt, sind sie doch die augenblicklich erfolgreichste Band der Region. Zumindest bezogen auf Musik mit der sich der demütige Rezenset dieser Zeilen beschäftigt.
Hier haben wir nun die zweite CD des Aufsteiger-Trios, produziert zur einen Hälfte vom Gewinn des Balinger Songcontests 2007 in Sesslers Studio und zur anderen in Eigenregie im Proberaum. Erstaunlicherweise ist der Unterschied der Aufnahmen unterm Strich zu vernachlässigen. Entscheidender ist die kompositorische Entwicklung, die hier verfolgbar gemacht wurde, denn glücklicherweise haben sie die beiden Hälften chronologisch geteilt, was mir sehr gut gefällt, da ich Musik gerne nachverfolgbar vorgelegt bekomme. Eine Vermischung der Songs hätte ich wirklich als sehr schade empfunden, da man so besser nachvollziehen, trennen, beurteilen kann. Sowas ist auch für Fans sehr sehr wichtig. Gut gemacht!
Auch schön, dass jede Hälfte mit dem simulierten Geräusch einer knisternden Schallplatte beginnt. Am Ende gibts sogar einen wunderschönen Hänger, den man ein paar Minuten geniessen darf, bevor eine akkustische Dreingabe kommt, die die Herkunft und das zweite Standbein der CYHT referenziert. Das vermittelt den Geist der Analogie, die für Musik so wichtig ist und die der Grossteil der Menschheit heutzutage vergessen hat.
Die Entdeckung der Clap Your Hands sorgte vor 2 Jahren für eine gewisse Sensation, denn die ersten drei Entwicklungsstufen des gewöhnlichen Indipendus Musicus Germanicus übersprangen sie mit einem Satz. Sie konnten sofort spielen, komponieren, wirkten locker und sympathisch und brachten auf der Bühne was rüber. So wurden sie zum gefragtesten Liveact 2007 und blieben dennoch erstmal umgänglich und bescheiden.
Im Artenregister ist die Band dem "Punkrock" zugeordnet. Das klingt nach Kalifornien, hat aber auch eine traurige Note, die sich in Akkordfolgen, Texten und vorallem dem Strophengesang wiederspiegelt. Insbesondere bei den Refrains kommt dann aber doch der Singalong durch und entdeckt den Schwoof als Hoffnung.
Zwischendurch immer wieder Riffs und Rhythmen, die für überraschende Momente sorgen, so dass die Abwechslung erhalten bleibt, auch wenn das insgesamt dann doch recht gefällig ankommt, was denn letztlich auch einer der Gründe für den Erfolg sein mag.
Die zweite Seite wirkt nachdenklicher ist etwas rockiger und weniger punkig. Ein Ausblick auf die weitere Entwicklung? Man wird sehen wie gut die Überlebensstrategien der Clap Your Hands Twice funktionieren.
Übrigens ist auch das Cover sehr schön. Fast wie ne alte CSNY. Gutgut!
(Ralf, 5.12.08)

The Black Keys - Attack and Release (Cooperativ, 28.3.08) LP
Jetzt ist es passiert. Jetzt werden sie ganz gross. Ihre neue Platte ist bereits unter die Top 200 in den Staaten eingestiegen und kommende Shows sind weltweit schon ausverkauft. Naja, vielleicht muss man etwas relativieren, dass Shows im Londoner Astoria, worauf ich jetzt eigentlich angespielt habe, eh immer schon über Monate vorher ausverkauft sind.
Egal. Vielleicht war es für die Black Keys auf Ihrem fünften oder sechsten Album (hab keine Lust jetzt noch mal durchzuzählen) nun langsam tatsächlich Zeit Veränderungen aufzubieten. Mit zahlreichen Gastmusikern haben sie allerdings nicht nur ihrem Sound einen orchestralen Anstrich verliehen, sondern auch die Kompositionen sind filigraner geworden. Der Blues ist zwar weiter die Basis, doch alles ist auf eine Hochglanz-Ebene transportiert worden. Dies ist keinefalls mehr Lo-Fi, sondern die Hi-Fi-igste Produktion einer Zweimannband, die ich jemals gehört habe.
Gefällt mir aber trotzdem. Die Songs sind wieder schön und die reichhaltige Instrumentierung ist keinesfalls völlig deplaziert, sondern stimmig in das Konzept eingebaut. Mitunter ist sie gar so übertrieben, dass sie nicht anders als ironisch gemeint sein kann. Tatsache ist einfach, dass die Black Keys ziemlich clever sind und daher sehr integrativ blieben und ihr Ding konsequent durchgezogen haben. Ich sehe auch mit "Attack and Release" keinen wirklichen Bruch, auch wenn die Platte doch deutlich andere Klangmassstäbe setzt. Da sind die Veränderungen der zuvor besprochenen Black Lips wirklich ein Klacks.
Ich trauere zwar ein wenig dem jaulenden und unterproduzierten Gesang von Auerbach hinterher, dennoch werde ich mir das sicher öfter anhören.
Hardlinern und Lo-Fi-Fanatikern rate ich ab.
Zur Veranschaulichung erlaube ich mir ein Zitat eines anderen Journalisten anzubringen, das ich sehr passend finde: "Mehrheitlich hört sich das nach Gospelmusik auf Qualitäts-Drogen an." (Rolling Stone)
(Ralf, 12.4.08)

No Code - Talons of Society (Eigenvertrieb, Mai 2008) CD
No Code gelten ja gemeinhin als Grungeband. Und, ja klar, sie sind's. Eindeutig. Die verkörpern für mich absolut genau das, was Grunge damals Ende der 80er bis Mitte der 90er ausmachte: Musik mit schweren Rockriffs aber mit einer punky Attitüde und ab Smells Like Teen Spirit dann auch noch mit viel Melodie und Popappeal. Dazu immer Selbstzweifel, Ironie, Ablehnung, eben ne grosse Ladung ungemütlicher Emotionen, die aber durch die Kraft der Musik zur Entladung aller negativen Energie führt.
No Code führt dies auf sechs neuen Songs mit einer Spielzeit um die 25 Minuten nachdrücklich vor. Daher klingt zwar nichts wirklich neu, doch sie beweisen ein spürbares Verlangen, mit Sounds und Arrangements zu experimentieren, um die persönliche Note noch stärker zu betonen. Insgesamt wieder eine sehr gelungene CD. Die Bedenken, der Sound könnte in Uwe Sesslers Händen zu clean werden, wurden meiner Ansicht nach nicht bestätigt, die Gitarren rotzen, wenn sie rotzen müssen und die Vocals reiben und kratzen mehr denn je. Doch auch die ruhigen Songs der No Code halte ich mittlerweile für wesentlich besser.
(Ralf, 2.4.08)

The Poison Ivvy - Out For A Kill (Planet Trash, 2008) CD
Leider die langweiligste CD seit langem. Rotziger Kick-Ass-Punk'n'Roll wie er klischeehafter nicht sein könnte. Sie spielen über Marshalls oder noch schlimmer vielleicht sogar über Ractifiers, hören auch gerne Motörhead und gucken Filme von Tarantino und Rodriguez, sind tätowiert und bilden Würfel mit Flammen und alte Amiautos auf ihrem Cover ab.
Das ist alles sowas von out, doch da die Band schon seit 1990 durchharrt, könnte ich mir vorstellen, dass sie mit etwas Geduld bis in 10 oder 15 Jahren wieder in sind.
Texte und Songs sind so primitiv, dass es fast schon wieder trashig ist. Dazu müsste aber ein Anteil an Selbstironie mit drin stecken, doch den hab ich leider übersehen, Mist!
Das Dollste ist, dass im Info steht, die Band würde auf dieser Platte ausgefeiltere Arrangements bieten, was mir Angstschweiss auf die Stirn treibt, wenn ich daran denke, mir eine ihrer älteren Produktionen anhören zu müssen.
Nichts für mich, doch wer Gefallen an Klischees findet, gerne bolzgraden Punkrock mit schwerem Motor im Gehäuse hört und kein Problem damit hat, dieselben Akkordfolgen zu hören, die jede beliebige Band dieses Subgenres schon seit 15 Jahren spielt, der ist hier genau richtig.
(Ralf, 24.2.08)

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Teufel