Platten 2003

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Wovenhand - Blush (The Original Score) (Glitterhouse, 26.05.2003) CD
Nie wieder war David Eugene Edwards so intensiv, vielleicht wird er auch nie wieder so gut sein. Blush, der Score zu der gleichnamigen Tanzperformance des belgischen Regisseurs Wim Vandekeybus und dessen Ensemble/Entrepreneurship Ultima Vez.
Die kompositorischen Spannungsbögen sind sehr weit gefasst (klar, das hier ist ein Soundtrack) entwickeln aber gerade dadurch ihre wundervolle Grösse. Blush, das sich teils aus bearbeitetem Material des Erstlingsvorgängers, teils aus extra hierfür komponierter Musik zusammensetzt, bricht sich raumgreifend in Herz und Höhle. Die Musik flirrt wie eine Fata Morgana in den äther, fiebert, vibriert, bleibt stehen, wartet, saugt sich an und öffnet sich dann in hemmungslos schönen Melodien. Banjos, Gitarren, akkustisch, elektrisch, teils auch sehr krachend und pfeifend, meist sparsame aber einnehmende Percussion, Pianos und Orgeln, lange atrmosphärische Geräuschpassagen (die Eugene hier mit grosser Freude einsetzt, man spürt, dass er lange darauf gewartet hat, sich dieses Elements bedienen zu können), untermalt von gespenstischen rückwärtslaufenden Gitarren und dann immer wieder Eugenes verfremdete Stimme, freilich sparsam, denn die instrumentale Spannung hat im Projekt Vorrang, aber dafür lauert sie ständig bedrohlich im Dunkeln.
Natürlich ist das bei allem unnachahmlich Wovenhand und Eugene und Story And Pictures, das mit seinem Refraintext Blush den Titel gegeben hat, ist ganz sicher einer der schönsten Songs, die ich jemals gehört habe. Superlative? Ja, klar, dort wo sie hingehören.
Je öfter ich Blush höre, desto unwirklich perfekter erscheint es mir in all seiner gebrochenen Dunkelheit, mit all seiner fast unerträglich tiefen Emotion. Eugene ist sicher einer der bestaussehendsten, intensivsten und charismatischsten Musiker dieser Tage.
Man kommt von Blush nicht mehr los. Diese CD gehört mittlerweile mindestens zu meinen Alltime-Top-20, ohne dass ich diese jemals bezeichnet hätte. Die CD war seinerzeit Teil eines Promo-Packages von Glitterhouse. Ich habe sie jahrelang wenig beachtet und 2010 schloss sie sich wie eine Rauchwolke um mich. Ich habe das komplette Schaffen Eugenes aufgearbeitet, doch dies hier, zusammen mit der DVD, auf der die Filmversion der Tanzperformance mit vielem weiteren Material zu sehen ist, ist das Ergreifendste das ich 2010 gehört und gesehen habe.

Wovenhand - Blush Music (Glitterhouse, 03.02.2003) CD
Blush Music ist die kurz vorher erschienene "hörbar gemachtere" (DEE O-Ton) Version des Soundtracks. Man kommt eher zur Sache, die Musik wurde mit weiterem Instrumentarium angereichert. Mehr Gesang, neuer Mix, es passiert etwas mehr. Aufbereitet zum reinen Hören, während der Soundtrack eben nur Untermalung sein sollte. Dazu kommt ein Stück das nicht auf dem Soundtrack enthalten ist, auch wenn es nur Gitarrengeräusche sind, so dass die CD sogar noch länger spielt als der Soundtrack.
Ursprünglich war nicht vorgesehen die Blush Musik überhaupt zu veröffentlichen. Erst durch Anregung von Glitterhouse kamen diese beiden Alben zustande und selbst daraufhin wurde zunächst nur diese Platte veröffentlicht, bevor Glitterhouse sich entschied, dass auch der original Score eigentlich niemandem vorenthalten werden sollte. Danke, kann ich nur sagen. Danke, Glitterhouse. Nachwievor das Herz unter den deutschen Labels.
Wovenhand, deren einzigartiges Oeuvre über viele Jahre und Alben seinesgleichen sucht, findet hier den von mir gefühlten Höhepunkt und um ein Haar wäre es der Nachwelt nicht in dieser Form weitergegeben worden.
Ich finde es fast seltsam, dass die Vorgängerband 16 Horsepower beinahe noch bekannter waren als Wovenhand. Ich weiss nicht, wo ich die verdammte 16 Horsepower Olden-Review hinverloren habe. Ich bin mir sicher eine geschrieben zu haben, da ich mich mit meiner Freundin Immylou, die damals bei Glitterhouse arbeitete, noch darüber unterhalten habe. Keine Ahnung, manchmal kommen mir Dinge abhanden und tauchen nie wieder auf.
Wunderschöne Cover übrigens, beide. Das ist Kunst: Wenn visuell, musikalisch, inhaltlich, emotional alles zusammenpasst. Ein Ziel, eine Vorgehensweise, eine Botschaft, eine Stimmung.
(Ralf, 4.2.11)
Sufjan Stevens - Michigan (Asthmatic Kitten, 2003) 2LP
Schwer zu beurteilender Artist, unser Sufjan. Sicherlich ein Wunderkind, spielt auch auf diesem, seinem dritten Album (mittlerweile sind es zehn) viele Instrumente, keine Elektronica, singt immer sehr zart, zurückhaltend. Ein Indie-Wimp halt, ein Folk-Barde des 21. Jahrhunderts.
Stilistisch wird alles einverleibt was nicht schnell genug im Great Lake abgetaucht ist. Klassische Elemente haben da ebenfalls ihren Platz wie auch ein durchgedrehtes Rock-Gitarrensolo. Die Musik ist in einem Moment verträumt und verspielt um sich in der nächsten Sekunde zu symphonischer Opulenz mit Trompeten, Trombonen und was auch immer es so an Bläserkram gibt, aufzupeitschen. Dabei ist alles sehr sauber gespielt und gesungen, sehr gut aufgenommen, auch wenn sie das meiste selbst gemacht haben, teilweise in irgendwelchen Wohnungen.
Michigan sollte das erste von 50 Alben zu 50 Staaten Amerikas werden. Der patriotische Unterton kommt bei sowas ja immer etwas zweifelhaft rüber. Er hat's dann nach Michigan und Illinois auch gleich wieder gesteckt.
Die Platte wandert hier gerade bei uns von einer toten Hand in die nächste. Danke an Hafi, dem sie gehört. So schön die Platte auch ist, aussen wie innen, irgendwas stimmt mir da nicht. An die Stimmung kann ich mich nicht richtig gewöhnen. Die wenigen schrägen Töne wirken inszeniert. Aus jedem Loch dudelt und pfeift und trompetet es, so dass die eigentlich ruhige Atmosphäre immer wieder einen hektischen Anstrich bekommt. Mir ist das zu verkopft. Zwar auch sehr gefühlvoll und schön aber zu stoisch präzise. Die Ausbrüche wirken dirigiert und gehen niemals an Grenzen. Notenblattmusik. Der Wahnsinn ist konstruiert.
Ich hab dem Ding einige Durchläufe gegönnt. Nach dem 6ten oder 7ten Hören hab ich mich dann mit allem Unbill versöhnt und die Platte in mein Herz geschlossen. Es war aber ein schwieriger Beginn einer Freundschaft und ich traue ihr auch noch nicht so recht über den Weg. Irgendwas lässt mich hier hadern und wahrscheinlich ist es einfach ein völlig anderer Geist, mit Musik umzugehen, als ich ihn gewöhnt bin und mag. Ausserdem stört mich der offene Umgang mit zu vielem. Zuviele Stile, zuviel Instrumentarium, zuviel Neigung mal auch ein reines Elektronik-Album zu machen. Der rote Faden ist das Fehlen einer Zugehörigkeit, eines Bekenntnisses. Das, was der Mensch braucht um sich auf eine Seite stellen zu können. Sufjan steht da drüber. Das kümmert ihn alles nicht und das macht ihn ja auch sympathisch, für mich momentan aber schwer greifbar weil ich noch zuwenig von ihm weiss.
(Ralf, 5.2.11)
The Functional Blackouts - Functional Blackouts (Criminal IQ, 2003) - LP
Wütend-verzweifelter End-70er-, Früh-80er Ami-Punk von rasend schnell bis agonisch-stampfend aber immer mit messerscharfer, durch die Zähne gepresster Aggression, die nur auf den nächsten Ausbruch lauert, ohne aber jemals wirklich Befreiung zu bringen.
Die Gitarren klirren und fiepen ständig am Rande der Erträglichkeit, während Schlagzeug und Bass klingen als wären sie hinter einer schweren Kellertür und halb in Morast steckend aufgenommen worden.
Produziert wurde diese erste Scheibe der Blackouts von Jimmy Hollywood (Tyrades, Baseball Furies) und nicht umsonst ist die einzige Coverversion von den Germs, denn die Gefahr und Sickness die von dieser Platte ausgeht, wurde definitiv im selben Kellerloch angekettet.
Das Schwarzweiss-Cover mit den komischen Collagen gefällt mir allerdings überhaupt nicht, trägt aber dazu bei, sich noch unwohler zu fühlen. Klasse!
(Ralf)
Hellmute - The Revenge of the He-Shes (2003) - CD
Das Trio aus Aarau/Zofingen nun mit dem ultimativen Dokument ihres Schaffens! Nach dem, bei Tomas Skogsberg in Stockholm aufgenommenen, Erstling "Martha" von 1999 und der 10" "Fuck You Good Night" von 2001 bringt "Revenge of the He-Shes" das Wesen dieser Band in ganzer Durchschlagskraft und Geschlossenheit zur Geltung.
Ich kenne persönlich keine so vielseitig interessierte Band, die ein derartig umfassendes musikalisches Backgroundwissen aufbringt und mit soviel augenscheinlicher Freude am Werke ist. Auf diesem Fundament spiegeln sich in ihrer Musik Wurzeln aus den Pionierzeiten des Schwermetalls ebenso wieder wie Einflüsse aus der breitgefächerten Welt des Rock'n'Rolls bis zum heutigen Alternative- und Punkrock. Diese Ursprünge verarbeitet die Band aber derart gekonnt in ein völlig in sich geschlossenes Gestein primitiven Hardrocks, der von Abgründen genauso geprägt ist, wie von ihrem unvergleichlichen Humor, dem genauso Schweiss und Bier anhaften, wie der Glamour des Rock'n'Roll.
Der Wegfall der zweiten Gitarre ist hörbar, wurde aber absichtlich nicht kompensiert und so wird die Musik übersichtlicher, einfacher und direkter.
Die handwerkliche Arbeit zu loben, ist bei Hellmute schon jenseits des Selbstverständnisses, deswegen möchte ich hier vorallem den extrem geilen und ausgewogenen Sound dieser Platte hervorheben. Da fehlt so jegliches Amateurhafte, das so vielen Produktionen anhängt, die man heutzutage von Bands zugeschickt bekommt, die sich solchen bescheidenen Zeitgenossen wie Kudi, Schwe und Pidi von Hellmute WEIT überlegen fühlen. Und damit wäre auch schon einer der wichtigsten Gründe gefunden, die die Qualität Hellmutes so deutlich und für manchen auch so überraschend machen: Der bescheidene Umgang mit dem Wissen um die eigenen Fähigkeiten, kompositorisch wie handwerklich. Selbstüberschätzung ist nichts woran Hellmute kranken. Für mich sind sie das Pendent für überlegene Zurückhaltung. Hellmute beinhaltet den Geist, den Rockmusik sooft vergeblich und am völlig falschen Platz sucht. Hellmute ist ... haltet mich auf, sonst werde ich peinlich.
Die gnadenlose Leidenschaft eines Hellmute-Gigs wird allerdings kein Hördokument jemals übertragen können, das ist die einzige Gewissheit, die bleibt.
Dieses Album gibt es mittlerweile auch auf Vinyl mit Gatefold-Cover. Dem gibt es dann endgültig nichts mehr hinzuzufügen.
(Ralf)
Tyrades - Tyrades (Broken Rekids Records, 03) - LP
Nach drei EPs hier nun die erste LP der Tyrades, die von ihrem Label als "Chicago's first and only punk band" beschrieben werden. Und mein Gott: Sie müssen es sein, denn schon nach wenigen Sekunden fange ich an, nach dem Garantieschein für die Erzeugung von Aggressionen zu suchen, der dieser Platte beiliegen muss.
Produziert in Jim Diamonds heiligen Hallen, hängt der Sound immer mit einem Fuss in der Apocalypse, klingt hohl, verdreckt, als würde man mit einem Schraubenzieher den Rost von einem stinkenden Heizungsrohr kratzen, durch das giftversetztes Adrenalin von dem unaufhörlich hämmernden Rhythmus direkt in des Hörers Adern gepumpt wird. Bei mir wirkt das Wunder. Meine Depressionen verschwinden bereits nach dem ersten Song völlig.
New Wave Punk, der einem das Gefühl vermittelt die letzten 15 Minuten von Terminator 1 aus der Sicht des Verfolgten zu erleben. Der stahlplattenzersägende weibliche Gesang zerrt an den Nerven wie Schwarzeneggers Metall-Skelett an Deinem Bein. Was für eine herrliche Tortur.
Wer die erste Seite überlebt ohne sich selbst oder andere verletzt zu haben, hat grosse Chancen auf ein Leben nach den Tyrades, denn auf der zweiten geht's insgesamt nicht mehr ganz so direkt in die Drüsen, dafür befindet sich hier der Überhit "Message from the Operator".
Jetzt weiss ich endlich, wie es sich anfühlt, wenn man seine Hand um ein Stück Stacheldraht legt, das zuvor in Plutonium eingelegt war.
Obwohl die Band nur als Nebenprojekt des Baseball Furies-Bassiten Jimmy Hollywood, der sich hier die Gitarre umgeschnallt hat, gegründet wurde, finde ich sie wesentlich direkter und verstörender. Die Baseball Furies deprimieren mich nur aber die Tyrades machen mir Angst ... und sie machen mir Hoffnung, Leute. Das tut gut.
(Ralf)
The Popzillas - Pandora Pop (Vitaminpillen Records, 03) - Maxi-CD
Erwartungsgemäss sind die Popzillas aus Stuttgart brutal poppig. Und professionell. Und glatt. Das trifft nun grundsätzlich nicht unbedingt meinen Geschmack, hat aber einige besonders schmissige Refrains anzubieten, die sehr frisch ankommen und Spass machen. "Save The World With A Smile" ist ein richtiger Hit und vielleicht sowas wie das Motto der Band.
Das Schlagzeug klingt ein wenig hohl und synthetisch, doch insbesondere beim Gesang der ehemligen Bam Bams-, Heroines-Frontfrau Yvy wurde hier mehr rausgeholt als bisher. Ihre Stimme ist der Nabel der Band, der Rest klingt austauschbar.
Gut finde ich vorallem die Ausrichtung der Band. Da spürt man den Punk-Background. Man tourt erstmal ausgiebig in kleinen Clubs, besinnt sich auf seine alten Kontakte und versucht nicht gleich um jeden Preis den Majordeal an Land zu ziehen, damit man demnächst berühmt wird, wie es soviele Bands versuchen. Das macht die Popzillas locker und sympathisch und zeigt, dass sie doch zu uns gehören, auch wenn sie wesentlich polierter klingen, als wir das gewöhnt sind. Wer sich an positiver Musik mit glasklarem Sound und wuchtigen Poppunk-Refrains nicht stört, der wird von den Popzillas aufs Beste bedient und sollte sich auf den im September 04 erscheinenden Nachfolger dieser CD freuen.
(Ralf)
The Blood Brothers - Burn, Piano Island, Burn (ARTISTdirect, 24.03.03) - CD
The Blood Brothers kommen aus Seattle und sind blutjung, Anfang 20. Haben aber mit "Burn, Piano Island, Burn" bereits ihr drittes Werk, auf Ross Robinsons Label "I Am Recordings" (Sublabel von ARTISTdirect), veröffentlicht. Er hat die Platte auch produziert.
Überrascht?
Nein?
Dann hast Du das hier noch nie gehört! Es rappelt im Karton und das darf man hier ruhig wörtlich nehmen. Hier ist alles immer ein bisschen daneben. Die Gitarre, das Schlagzeug, der Bass sowieso. Und die zwei "Sänger". Ok, es ist so: The Blood Brothers bilden mit The Dillinger Escape Plan und Converge die heilige Dreifaltigkeit des Post-Chaos-Wasauchimmer-Core. Und wenn ich sage, dass hier ein bisschen was daneben ist, dann darf man davon ausgehen, dass nichts, aber auch gar nichts dort ist, wo man es vermutet, geschweige denn es vermeintlich zu sein hat. Hier holpert, explodiert, zerkratzt und zerreisst es und spuckt auf Deine Hörgewohnheiten und Deine Erwartungen. Songstruktur? Von wegen! Eingängigkeit? Du machst Witze! Ordnung? Hörst Du mir überhaupt zu?
Es gibt hier schon Melodien, aber die werden gnadenlos an die Wand gestellt und exekutiert. Zum Beispiel in "Ambulance vs. Ambulance", wo in der Mitte eine wunderschöne Popmelodie erklingt (mit Glockenspiel!), die dann aber an einer Mauer des Schreiens zerbricht. Sowieso schreien: Man merkt, dass man auch bei dieser Band um Refused nicht herumkommt; Jordan und Johnny, die beiden Shouter, geben hier alles und zermalmen jeglichen Widerstand. Vor allem, wenn sie dem geneigten Zuhörer im Zwiegespräch geradezu surreale Textgebilde vor die Füsse kotzen. Was bei z.B. bei The Locust stört, nämlich eine gewisse Ziellosigkeit, beziehungsweise Konzeptlosigkeit (inhaltlicher Art) fehlt hier völlig. Auch textlich bekommt man hier keineswegs übliche Ware. So ist zum Beispiel der Song "The Salesman, Denver Max" an eine Geschichte der Schriftstellerin Joyce Oates (es geht um Kidnapping) angelehnt, das überaus kaputte "God bless you, Blood Thirsty Zeppeline" handelt von der Abstempelung der Frau zum Objekt. Aber darauf soll der Hörer erst mal kommen. Hier hilft das schöne Artwork weiter. Hier stehen nicht nur die Texte (Gott sei Dank!), sondern wird noch mal ganz deutlich gemacht, was auf CD passiert. Da wird der obengenannte Zustand des Nichts-Ist-Am-Richtigen-Platz-Seins ganz gut symbolisiert und zwar mit einer barocken Adelsdame, die Krabbenscheren statt Hände hat.
Ein Wort zum Producer. Es gibt viele, die Ross Robinson wegen seiner New Metal Vergangenheit (Korn, Limp Bizkit, Slipknot) gerne vor dem Den Haager Kriegsverbrechertribunal sehen würden. Aber der Mann hat auch durchaus gute Sachen gemacht: Das finale Überwerk von At the Drive-In "Relation of Command" zum Beispiel. Und diese Platte, natürlich. Er hat gute Arbeit geleistet. Das ist nicht überladen, wie The Dillinger Escape Plan manchmal auf Grund ihrer überdurchschnittlichen instrumentalen Fähigkeiten dazu neigen und auch nicht zu roh wie bei Converge, sondern genau richtig, scheppernd und knarzig.
Aber das braucht Zeit. Das ist keine Partyplatte. Die Platte läuft komplett an einem vorbei, wenn man nicht aufpasst und sich auf sie einlässt. Das ist schwierig und geht halt einfach nicht immer. Aber wenn Dein Chef scheisse, Deine Freundin weg, Dein Auto kaputt, Dein Haustier tot, die Bude ein Dreckloch ist, Du nur besoffen und am kotzen bist und heute eigentlich Geburtstag hast, nur keiner weiss es (schon wieder nicht), dann verstehst Du. Aber vorerst reicht es, wenn Du einfach mal 50 Minuten Zeit hast. Irgendwann verstehst Du auch. Ich hoffe zumindest, das ich es irgendwann mal tu.
(Martin Weise)

Ghetto Ways - Ghetto Ways (Alien Snatch, 2003) - LP
Erstling des Trios aus Brooklyn/NY und gleich eine ziemliche Sensation. Die Band um Sängerin und Gitarristin Jenna klingt so ungeheuer vital, dass man nicht anders kann als aufzuspringen und die Stiefel in die Höhe zu schwingen.
Die meist gezogenen Vergleiche zu den Bellrays, Detroit Cobras und den Dirtbombs halte ich allerdings für pure Verzweiflung anhand des Mangels an wirklich ähnlichen Bands. Die Ghetto Ways kommen zwar stellenweise auch leicht soulig rüber, sind aber einfach viel zu gut und zu eigen, um sich in jedwede Schatten stellen zu lassen.
Am meisten gefällt mir der trashige Sound, der schlicht und einfach stimmt. Instrumente und Stimmen sind immer leicht im roten Bereich. Die Songs leben und pulsieren rhythmisch, die Gesangsmelodien reissen mit. Trotz der Coolness, die die Musik ausstrahlt, fühle ich eine positive Note und das macht die Ghetto Ways für mich so unwiderstehlich.
(Ralf)
Mom's Day - Confess Colour (selbstproduziert, 04) CD
"Treibt keinen Schabernack mit dieser CD, denn diesmal haben wir uns richtig Mühe gegeben" steht im Innensleeve. Und: Ja, Mühe gegeben haben sie sich, Moms Day aus Albstadt, im Hinterland allerallerbestens bekannt. Es sind leider keine Angaben auf der CD enthalten, in welchem Studio aufgenommen wurde, doch ich glaube mich auch zu erinnern, dass sie das selbst, vermutlich per Harddiskrecording, gemacht haben. Dafür: Alle Achtung, das Teil klingt ziemlich dynamisch. Gitarren werden kräftig gedoppelt und insbesondere der Mix klingt auch für meine Ohren gelungen. Das soll was heissen, denn junge moderne Bands haben meist ganz andere Ansichten darüber, wie eine Band zu klingen hat, als ich.
Mir gefällt insbesondere, dass der Gesamtsound geschlossen klingt und weder der Gesang noch sonst ein Instrument dominieren oder sonstwie unangenehm auffallen. Wie man heute seinen Briefkasten mit Sondermüll überambitionierter Bands kontaminiert bekommt, die Daddys Sparschwein an teure Studios verprassen und Aufnahmen produzieren, die sich wie Unterdruck im Ohr anfühlen, das ist schon desillusionierend. Da sind immer Bands zu loben, die sich ausprobieren, die selber machen. Dieser Lerneffekt ist wichtig und Moms Day sind da sogar schon durch. Das beste Zeichen dafür ist die vorliegende CD.
Die Songs sind die Gesamtheit ihrer Hits, die man zuletzt auf zahlreichen Liveauftritten zu hören bekam. Moms Day haben zwar als Ausgangsbasis immer den Punk im Auge, üben sich aber in einer stilistischen Vielfältigkeit, die mir zwar nicht behagt, wenn man dabei an den, oft von mir zitierten, Crossoverkill der modernen Popkultur denkt, doch halten sie das Steuer immer hart am Wind und kommen niemals zu weit vom Kurs ab.
Moms Day sind zudem recht entspannt, völlig ohne nervendes Ich-will-hierhin-oder-dorthin-Gehabe. Sie sind mehr der Kunst als dem Erfolg zugeneigt, was leider allzuviele Bands heute aus den Augen verloren haben.
Und auch der Spass steht ganz oben auf ihrer Gründe-warum-ich-Musik-mache-Liste. So gerne sie sich auch mal nachdenklich oder wütend zeigen, bedrohlich wird die Tiefe nie, die Leichtherzigkeit überwiegt, der Schalk sitzt ihnen bei allem im Nacken und das ist gut so, auch wenn mir bei der Soulnummer am Ende fast der Löffel in der Tasse steckenblieb, denn sie ist ... zu perfekt. Man weiss beinahe nicht mehr, ob man die 30 Minuten vorher verarscht wurde und der Film jetzt erst anfängt oder umgekehrt. Moms Day könnten auf vielen Hochzeiten tanzen. Drauf haben sie's. Vielleicht ist für sie dann in der, von mir oft so geschassten Vielfältigkeit, doch eher der richtige Weg zu sehen. Macht einfach weiter so!
(Ralf)
The Mars Volta - De-loused in the Comatorium (Universal 23.6.03) CD
Es ist schon viel gesagt worden über dieses Album. Vielleicht schon zu viel. Aber ich muss auch loswerden, was dieses Album für mich bedeutet. Die Platte erschien schon letztes Jahr und es hat lang gedauert, bis sie mich endgültig und vorbehaltlos für sich eingenommen hat. Es hieß, wer sich mit diesem Album beschäftigt sollte sich mit Can, Neu!, Faust und den übrigen deutschen Krautrockern der 70er auseinandersetzen. Das mag sein, mal davon abgesehen, dass ich das nicht getan habe. Nun, ich war zumindest nicht im Geringsten darauf vorbereitet, was mich erwarten würde.
Vorab ist zu sagen, dass die Platte als Konzeptalbum zum Thema Suizid gedacht ist. Und einzig und allein im ersten Song sind die Lyrics konkret, im Opener "Televators", wo es gleich am Anfang heisst: "Just as he hit the ground / They lowered a tow that /
Stuck in his neck to the gills."
Klare Worte zu Beginn. Das war's dann aber auch schon. Der Rest ist kryptisch bis zum Gehtnichtmehr, aber mit einer unheimlichen, mystischen Wirkung. Genau wie die Musik. Ein zuckender, hyperaktiver, lichtgeschwindigkeitsschneller Bastard aus Salsa, Kraut, Postcore, Elektronic und was-weiß-ich-noch-alles, der nur in den atmosphärischen, nur von sanftem elektronischen Pluckern und Wehen getragenen Zwischenteilen mal Ruhe gibt. Da die Lieder allesamt ineinander übergehen und zudem sehr lang sind, fällt es schwer, Höhe – und Tiefpunkte (von den es so gut wie gar keinen gibt) auszumachen. Zusätzlich sind die Songs so kaputt und schnell, das man sich schon einigermassen konzentrieren muss um zu hören, was da alles gleichzeitig abgeht. Einzige Ausnahme dürfte "Drunkship of Lanterns" sein, da die Struktur des Songs einigermassen griffig ist.
Der Drummer scheint einen epileptischen Anfall nach dem anderen zu haben, Cedric, Sänger, und Omar, Gitarrist, sind bekanntermaßen im Studio und auf der Bühne hyperaktiv. Und der Bassist ist auch kein Unbekannter. Der gute Flea von den Chilli Peppers hat mit diesem Werk die beste Leistung seines Lebens aufgenommen. Hier zeigt sich sein wahres Genie. Agil und Punktgenau, wie auch der Rest der Band.
In diesem Zuge muss man auch den (durchaus streitbaren) Rick Rubin nennen, der das Album produziert und es tatsächlich geschafft hat, das Album wie aus einem Guss scheinen zu lassen und alles unter ein Dach zu bringen.
Wenn man sich darauf einlässt, erwartet einen eine Achterbahnfahrt durch den Psychedelic-Dschungel, der, wenn er einen erst mal verschluckt hat, nie, nie, nie mehr loslässt.
Live übrigens ein absoluter Hammer, siehe Terremoto Reportage 2003.
(Martin Weise)
Deadly Snakes - Ode To Joy (In The Red Records, 15.4.03) LP
Torontos Deadly Snakes sind eigentlich genau das, was ich immer verteufle: Ein stilistischer Overkill. AAAABER: Soo geil!! Sooooo geil! Es ist, als hätten sich diese Kids ihre Plattensammlungen intravenös verabreicht und könnten gar nicht anders, als dem Takt zu folgen, der 60s-Rock, Garage, früher Punk, Roots/Bluegrass, Stax Soul, Southern Gospel und was weiss ich nicht noch alles vorgetrommelt hat.
Es ist nicht nur Nachgeahme, das die Snakes hier auf ihrem mittlerweile dritten Album zeigen, nein, sie sind schlichtweg süchtig, verseucht, das Zeug schwimmt in ihren Adern, sie SIND das was sie sind, als hätte es das Jahr 2000 niemals gegeben.
Der Erstling "Love Unbound" war anstrengend und chaotisch, das zweite Album "I'm Not Your Soldier Anymore" entwirrt aber krachig (kein Wunder, Greg Oblivian war kurzzeitiges Mitglied), so haben sie jetzt, nach der Trennung von Greg und somit dem Wegfall der zweiten Gitarre, die fehlende Klarheit gefunden und ihre Kompositionen sind herzerwärmender denn je.
Dennoch sind sie kein bisschen weniger wild, verzweifelt, wütend und bissig. Die Gitarren slammen wie eh und je, die Bläser sind glücklicherweise nicht mehr so aufdringlich, aber die Stimmen der beiden sich abwechselnden Leadsänger rotzen weiterhin herrlich nölend aus dem Lautsprecher. Meine meistgespielte Platte aus dem Jahre 2003.
(Ralf)

Black Lipstick - Converted Thieves (Glitterhouse, 6.10.03) CD
Black Lipstick sind indierockende Nerds wie sie im Buche stehen. Entsprechend klingt auch die Musik und so kommen mir auch die Texte vor. Schräg, oskur, zynisch, über Gott, Tod und Schlimmeres. Erstaunlicherweise reisen sie aber durch alle Zeiten, die bislang sowas nie Nerd-Rock kannten. Ich tu mir zwar schwer, den viel beschriebenen Velvet Underground-Einfluss rauszuhören, aber von Tom Verlaine über die Talking Heads und alles, was in den 80ern irgendwie schräg war (bspw. The Fall), sowie die glasklaren Referenzen an Sonic Youth, sind auch für mich erkennbar. Als Verbindung sehe ich allerdings weniger direkt die Musik, als einfach die augenscheinliche und irgendwie auch schrullige Nerdiness, die mich Black Lipstick letztlich doch liebhaben lässt, auch wenn sie mir persönlich etwas zu träge und nölig sind. In Texas langweilt man sich halt und wen man nicht zu den Normalos gehört wird man abgestempelt und MUSS wohl oder übel Musik machen. Willkommen in unserer Welt: Black Lipstick!
(Ralf)

The Raveonettes - Whip It On (Smi Col/Sony, 24.2.03) CD
Das 8-Song-Debut des dänischen Duos. Die eigenen Vorgaben, immer in der selben Tonart (Bb-Minor), nicht mehr als 3 Akkorde, kein Song länger als 3 Minuten, wurden strikt eingehalten.
Mehrere Dinge stimmen und machen die Raveonettes interessant: Der schepprige Sound, die Vorliebe für 50s/60s-B-Movies, die sich in Songtiteln, dem Artwork, Image, den Videos und ansatzweise in der Musik niederschlägt und die gehörschädigenden Jesus-and-Mary-Chain-Frühphase-Feedbacks.
Meist folgt einem, leider etwas zu maschinellen, Surfbeat eine klare einfache Gitarrenhookline, darüber liegt der coole, durchweg zweistimmige Mann/Frau-Gesang und darunter die bereits gelobten wechselnden Schichten Störgeräusche, die mit einem fiesen Grinsen am Trommelfell zerren.
Irritierend an den Raveonettes finde ich, dass sie ohne Vorspiel von einem Majorlabel gesigned wurden. Das komplette Konzept wirkt sehr kalkuliert, berechnend und selbst wenn die Beweggründe und die Vorbilder, -lieben noch so anerkennenswert sind, klingt mir die Musik zu konzipiert und zu wenig aus dem Bauch heraus.
Der Gesang, der immer absolut parallel in Terz oder Quinte (sorry, so genau höre ich das auch nicht raus) läuft, plagte mir mit seiner Eintönigkeit nach drei oder vier Songs etwas die Nerven. Da müsste man sich erstmal dran gewöhnen, doch anscheinend haben die Raveonettes die eingangs des Artikels erwähnten Restriktionen für das folgende Full-Length-Album "Chain Gang Of Love" wieder aufgegeben.
Die Raveonettes könnten sich in die moderne Riege der prä-Oasis-Gitarrenpopper einreihen. Ich würde ihnen den Platz neben den Strokes, Libertines, Make-Up und anderen gerne gönnen. Ich höre ein bisschen Rock'n'Roll, New Wave und Sixties-Beat. Sehe ein für mich angenehmes Image und hoffe ...
(Ralf)

The Renderings - Die for Rock'n'Roll (selbstproduziert, 03) CD
Die Mössinger Renderings sind Punk und zwar Punk alter Tradition. Ihre Vorbilder liegen irgendwo zwischen den Ramones, den Misfits und den Pistols. California schimmert zwar auch durch, aber eher im Outfit und in der Haltung. Ich finde, sie sind den US Bombs nicht unähnlich besonders die Intonation des Gesangs und die Mitgröhlrefrains. Diese erste, selbstproduzierte CD klingt gegenüber ihren Live-Performances aber eher unterproduziert. Von dem schönen Sound und dem Druck, den sie live, insbesondere durch den exzellenten Drummer und das gekonnte Zusammenspiel erzeugen können, ist nicht viel zu hören. Dennoch lebt die Musik von dem Charme und der Spielfreude, die bei den Renderings unverkennbar sind, nein, einem sogar wirklich ins Gesicht springen. Diese Buben haben sehr viel Spass an dem was sie machen und ich glaube, dass genau das auch der Grundstein ihres Erfolges ist.
(Ralf)
Detroit Cobras - Seven Easy Pieces (Rough Trade, 10.3.03) CD
CD-only Release, wohl eine Art Demo oder Appetizer für ein kommendes Full-Length-Album. Die Covers sind wieder in der typischen Cobras-Tradition: raunchy, bluesy, sexy, voller Soul aber auch schön rauh und punkig. Die ausgewählten Songs sind etwas obskurer als bisher und gehen daher nicht ganz so schnell ins Ohr.
Soundmässig ist man wieder einen kleinen Schritt zurück zum Schrabbeligen gegangen, möglicherweise wurde der Produktion aber auch nicht soviel Zeit gegeben als bisher. Grund kann auch die Lineup-änderung an der Gitarre sein, denn der neue Mann names Greg Cartwright (Oblivians, Reigning Sound) ist ja wohl nicht allzu sehr für eine smoothe Punkrockgitarre zu haben, haha. Wer DEN um Hilfe bittet (und mehr wird es nicht sein, was Greg auf Dauer bei den Cobras tun wird), der möchte, dass es kratzt.
Am Schluss kommt dann doch noch der totale Hammer: Insane Asylum, eine Willie Dixon-Nummer, die sowas von dekadent-gebrochen qualmt (Greg und Eddie Harsh verleihen dem Song mit ihren zusätzlichen Stimmen ein weiteres Gefahrenpotential), dass man den Geruch einer gerade in den sadistischen Gefängniswärter entladenen Salve Schiesspulver förmlich riecht. Tja, Happiness is a warm gun. Die Detroit Cobras sind weiterhin auf dem besten Wege, grosse Stars zu werden, auch wenn sie leider nur in Coverversionen dealen. Dafür aber wenigstens mit guten.
(Ralf)
The Remembers - Here are The Remembers (Demo-CD, 2003) - 14.04.03
Die Remembers sind eine neue Band, gleichwohl trifft man hier alte Bekannte aus dem Zollernalbkreis, die sich anschicken, die hiesige Punk-Rock-Welt zu bereichern. Bereits die Namenswahl des Sängers Johnny Remember und der allererste Riff lassen erahnen, wo's hingeht: Nämlich zu den Ramones. Mal wieder, möchte man sagen, doch damit würde man sogleich das überdeutliche Augenzwinkern übersehen, das die Remembers schon auf diesem kurzen Debut ausgeben.
Zwei Songs, die nach ganz frühem New York-Punkrock klingen, mit Melodien, die was hergeben und, auch wenn's an älteren Wurzeln gräbt, dennoch in der expandierenden Punkrock-Welt der schwäbischen Idylle so bisher nicht dagewesen sind.
Trotz der stilistischen Vorgabe sind dennoch deutliche Eigenwilligkeiten zu erkennen, bspw. der Elvis Slapback-Effekt auf dem Gesang, eine Referenz, die sich auch im Innersleeve des Covers wiederfindet.
Letztlich sind zwei Songs dennoch recht wenig, um Klarheit zu verschaffen, auch die Soundqualität (ich tippe mal auf Proberaum) ist nicht gülden, doch hier gehts auch wirklich nur darum, Eindrücke zu hinterlassen und die sind zumindest mal appetitlich. Mehr davon!
(Ralf)
Local Horribles - The Lofi Lie - CD
Lofi heisst Lo-Fidelity. Lo-Fidelity heisst, einfach ausgedrückt, "schlecht aufgenommen". Die CD ist in der Tat gut aufgenommen, also schlecht im Sinne etablierter Tontechniker und Standardverehrer. Ich verstehe die Local Horribles allerdings als kleine Lügner. Die können gar nicht genug mit den Augen zwinkern und knallen dem ganzen Lofi-Getue mit dem CD-Titel erstmal eine vor den Latz. Allerdings nicht, ohne zuzugeben, selbst dieser Lüge verfallen zu sein.
Die Local Horribles sind zu sophisticated um sie dem Underground zuzuordnen. Ich sehe echte Musiker, die auch als solches bezeichnet werden wollen, und keine Nerds, die sich mit zwischen die Lippen geklemmter Zunge am Gitarrestimmen versuchen und dennoch in einem halben Jahr die subversive Künstleravantgarde hinter sich haben (etwas, dem ich persönlich ja sehr zugeneigt bin).
Ich höre aber dennoch 7 Songs, von denen mir vor allen Dingen die kürzeren ganz gut gefallen. Leider kommt keiner der Songs an irgendeiner Stelle richtig aus den Puschen. Ausbrüche sind kaum wahrnehmbar und finden vorallem in spärlichen Gitarrenfeedbacks Raum.
Michael Moraveks (Plane Austers) Sideproject klingt in erster Linie frisch und unverbraucht. Man geht mit viel Spirit ans Werk und diese Freude dringt durch die Lautsprecher ins Herz. Die poetische Dylan-Ader hat er sich halt in jungen Jahren eingepflanzt, die wird immer durchzuhören sein, aber davon abgesehen bekommen wir hier gefällige, ruhige Songs mit Indie-Faktor (insbesondere das Radiohead-Cover "Karma Police"), die nicht weh tun, sondern schlichtweg nur schön sind. Meiner Ansicht nach fallen höchstens die beiden längsten Nummern der CD ab, die teilweise minutenlang vor sich hindümpeln ohne aus der Wiederholung eine Intensivität zu schöpfen. Anders "In A Sleep", der Schlusstitel, der diese Energie aus einer kraftvollen Hookline zieht und auf mich am intensivsten wirkt.
Moraveks Stimme klingt nachwievor überdurchschnittlich, eigen, immer etwas brüchig und jammernd, aber so herzergreifend, dass man einfach sofort die Arme hochwerfen, "Oh Gott" schreien und seine Lebensgeschichte zerreissen und nochmal neu aufschreiben möchte.
(Ralf)

Kickdown - Welcome to the Show - CD
3 Songs auf der Vorab-CD zum neuen Release.
Kickdown haben ausgemistet, sich von allem getrennt, was ihnen letztlich doch im Weg war. Teilweise neue Besetzung, kein Elektro mehr, keine Ausflüge in genrefremde Gefilde. Man geht wesentlich puristischer zu Werke, ist der Musik allerdings treu geblieben. Insofern ist der Bruch nur hörbar aber nicht spürbar. Die 3 Songs klingen wie Kickdown zuvor, einfach nur auf Gitarren, Bass, Schlagzeug und Gesang reduziert.
Ich kann zwar nicht behaupten, das Samplerblubbern hätte mir gefallen, aber derart für sich alleine gelassen, stehen die Songs völlig nackt da. Sowas mag ich normalerweise sehr und ich finde, dass Kickdown nichts Besseres hätte tun können, doch nun fällt leider auf, dass die Songs in ihrer Einfachheit fast schon langweilig sind.
Vielleicht ist es aber auch meine fehlende, sich wohl nimmer einstellende, Kumpelschaft zum Heavy Metal (ich vertrete ohnehin die Meinung, dass sogar Punk-Bands heute nur noch Heavy Metal machen). Und dieses metaltypische Feeling verliert sich bei Kickdown auch hier nicht. Die Gitarren sind eindeutig von alter Schule und das soll auch so rüberkommen, das ist völlig klar, aber es gefällt mir einfach nicht, wie man's auch drehen und wenden tut.
Im Ganzen betrachtet wirkt das Werk sehr blass, eintönig, geht irgendwie durch mich durch und packt mich nirgends. Da ist wenig Dynamik drin und kaum Feeling. Es wirkt eigentlich genauso technisch und perfekt wie die früheren Kickdown-Aufnahmen und man stellt fest, dass diese Future- und Computerkälte, die Kickdown bisher ausstrahlte nicht von der Instrumentierung herrührten sondern von dem Mechanisch-stoischen mit dem sie ihre Musik spielen. Auch das mag alles so beabsichtigt sein, gibt mir aber ein sehr unangenehmes Hörgefühl. Kickdown entziehen musikalisches Feeling, hämmern ihren Groove eher verbissen motorisch denn mit lockerer Härte (ich weiss nicht, ob das jetzt so zu verstehen ist, wie ich es meine) und das widerspricht dem was mir persönlich gefällt. Selbst die Texte kommen mir völlig platt vor: "Welcome to the Show ... ". Puh! Ist das jetzt auch Absicht?
Ich denke mal, dass ich nicht der richtige Rezensent für diese CD bin. Ich verstehe sie nicht.
(Ralf)
Soulpoints konnten leider keine vergeben werden.

Green Hornet - Soulscum (My First Sonny Weissmüller Recordings, 11.4.03) CD
Etwas weniger orgellastig, ansonsten aber vollstens ihrer Linie treu, bleiben die sympathischen Niederländer, die Ende 2001 als Andre Williams Begleitband kreuz und quer durch Europa tourten. Von dem Auftritt in Groningens berühmten Club Vera erschien am 6. Mai eine Live-LP auf Norton Records.
Blues-Punk, Soul-Punk oder einfach Rock'n'Roll, egal wie man es nennen will, das abgefuckte Element überwiegt. Fuzzige Gitarrenhooks, meist Uptempo, der Gesang völlig lo-fi, oft nur eingestreut, bluesige Harmonicas und dann doch immer wieder die grossartige Orgel von André, die dem Sound das endgültige Quentchen zum Abheben gibt.
Das Highlight für mich ist das überraschende "Sin", ein kurzes Instrumental mit gruseliger Orgel, das mich an Syd Barretts Pink Floyd erinnerte und daher meine vollste Unterstützung findet.
Die Vinyl-Version erschien übrigens auf Hellworm Records.
(Ralf)
Rockstar Pussy - Gimme Gimme (Demo-CD, 2003)
Na also! Nach der ersten Demo-CD, die im Sound nicht stimmte, weil die Pussies sich im Aufnahmestudio vertan hatten, jetzt der REAL ROCKER. Klappt doch! Das Novasonic-Studio in Reutlingen hat mal wieder einer älbler Rockband eine absolut vorzeigbare Produktion eingefahren.
Der Sound ist richtig schön dreckig, genau, wie sich's für Rockstar Pussy geziemt, die sich gerne im schmutzigeren Fahrwasser des Rock'n'Rolls siehlen. Sie stehen auf Motörhead und die Ramones und haben sich den skandinavischen Action-Rock per Dampframme rektal durch den Auspuff bis ins Hirn schiessen lassen.
Was absolut Neues bekommt man daher nicht aufgetischt. Doch ist Eigenständigkeit ein schlechtes Argument gegen 100% motorölleckenden, abgasverseuchten Highspeed-Rock, der so fahrlässig schnell ist, dass die Pussies gelegentlich selbst die Kontrolle verlieren.
Man kommt sich vor wie nachts hinter dem Steuer eines stinkenden, eiernden Amischlittens, die halbgeleerte Flasche Whiskey zwischen den Beinen, ein paar Restkrümel Speed noch an den Nasenhaaren, den Wahnsinn schon in den Augenhöhlen und die mitgebrachten, vollgepumpten, auf highest gear um sich schreienden Crack-Kumpels auf der Rückbank, Vollgas gebend und jede Kurve mit derart selbstmörderischer Vorsätzlichkeit anrasend, um sich mit der Frage, was einen wohl danach erwartet, den endgültigen Rush-to-the-Head zu verschaffen.
Die vielen Wechsel, Solis und die Double-Bassdrum lassen mich Rockstar Pussy letztlich doch eher dem Hardrock als dem Punk zuordnen. Einzig der hochrotzige Gesang ist absolut unhardrock und definitiv Punk. Auch Abhusten kann nicht jeder so stilvoll wie Sänger Marcos Don Bandito am Ende des letzten Tracks. Sauber!
Meine persönlichen Faves sind das Cellophane-Suckers-mässige V8 und Nightmare, ein Early-Hellacopters-like-Kracher, der mir auch von den Liveauftrittem am Besten hängengeblieben war.
(Ralf)

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